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Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Titel: Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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wolltet nur sichergehen, dass wir euch nicht in die Quere kommen.«
    Harenstett rückte sich den Anzug zurecht. »Paul, die Kollegen werden dich auf jeden Fall darüber in Kenntnis setzen, falls sie Hinweise auf eine Verbindung zwischen Dossantos und dem Lehrermord entdecken.«
    Kalkbrenner hätte ihm gerne Glauben geschenkt. Die Erfahrung hatte ihn allerdings gelehrt, dass er genau dieses Entgegenkommen vom BKA nicht erwarten durfte. Und überhaupt: »Dass es eine Verbindung gibt, wissen wir inzwischen selbst.«
    »Na also. Was willst du mehr?«
    »Vier Mordfälle aufklären.«
    »Das spricht für dich, Paul, wirklich. Aber falls du es vergessen hast: Bei Dossantos geht es um 30 Jahre Mord, Totschlag, Drogen, Menschenhandel, Prostitution, Erpressung, Bestechung und noch eine Menge Kleinigkeiten mehr. Deine vier, Verzeihung, läppischen Morde, die nicht einmal auf sein Konto gehen, spielen da einfach eine untergeordnete Rolle.«
    Das klang schon eher nach Harenstett: so direkt und ehrlich, dass es wehtat.

77
    Kalkbrenner saß an der Theke der
Piano Bar
, hatte ein Jever bestellt und stieß im Stillen mit Richard Stäuber an. Der Pianist versuchte sich im Hintergrund an einer langsamen Jazznummer, und für einen Moment war es wie früher. Wie vor vier Jahren. Oder noch vor drei Monaten, als er sich zum letzten Mal mit seinem Freund in der kleinen Bar des
Opernpalais
an der Prachtmeile Unter den Linden getroffen hatte. Seit dessen Tod hatte Kalkbrenner die Kneipe gemieden – bis heute.
    Er trank die Hälfte des Bieres in einem Zug. Es war kühl, aber es besänftigte nicht sein erhitztes Gemüt. Er war wütend. Auf Dr. Salm. Auf Ludwig Harenstett. Am allermeisten auf sich selbst. Weil er das Essen mit seiner Tochter versäumt hatte. Weil er seiner Frau und seinen Kollegen nur die halbe Wahrheit erzählt hatte. Weil er sich wieder von diesem verflixten Job, von dieser unerquicklichen Mixtur aus Gewalt, Lügen und Postengeschacher aufreiben ließ. Weil sich, wenn er ehrlich zu sich selbst war, gar nichts in seinem Leben verändert hatte.
    Was nicht zu ändern ist, ist nicht zu ändern.
Er verfluchte seine kleinen Helferlein.
    Der Pianist spielte
Born to be alive
. Der Disco-Song klang im Jazzgewand ungewohnt. Nicht wirklich aufregend. Kalkbrenner leerte das Glas mit einem zweiten Schluck und beschloss, sich für den Rest dieses verfluchten Tages zu langweilen. Ja, das war eine gute Idee, denn es erinnerte ihn an die Ostsee. An die entspannten Tage am Strand. Die gemütlichen Abende. Das Schachspiel. Und das Bier.
    Er gab dem Barkeeper einen Wink und bestellte noch ein weiteres Jever. Frisch gezapft stand das Getränk wenig später vor ihm. Er hielt es mit seinen Händen fest umschlossen, als bestände die Gefahr, es andernfalls zu verlieren. Manche Dinge im Leben verschwanden so schnell.
    Zurück blieb einem dann nur die Erinnerung. Es war Richard gewesen, Richard Stäuber, der behauptet hatte:
Langeweile ist Selbstmord auf Raten.
Es war hier an diesem Tresen gewesen, spätabends nach Dienstschluss, als sie bei einem oder zwei Bier über den Tod geklagt hatten. Damals war ihnen der näher gewesen als ihre Familien.
    Kalkbrenners Zorn verebbte. Jetzt folgte die Trauer. Die Erinnerung an Richards Beerdigung, den Sarg, der langsam im Grab verschwand. Das Häufchen Erde, das der Priester mit der Schaufel hinterherschickte. Die Leere, die in ihm zurückblieb. Einsamkeit. Das alles war plötzlich so präsent, dass es ihn beinahe vom Hocker haute. Buchstäblich. Er konnte seinen Sturz gerade noch abfangen.
    Der Barkeeper stand besorgt vor ihm. »Alles okay bei Ihnen?«
    »Mir geht es gut.«
    Aber es war keine gute Idee gewesen, im Alkohol Trost zu suchen. Nicht in der
Piano Bar.
Nicht heute.
    Rasch zahlte er und suchte das Weite. Am Kiosk um die Ecke kaufte er sich die Abendausgabe vom
Kurier.
Die Schlagzeile auf der Titelseite lautete:
Ehrenbürger verhaftet!
    Der Fang von Miguel Dossantos, der erst einen Tag zuvor bei einem vermeintlichen Anschlag verfeindeter Rotlicht-syndikate seinen Sohn verloren hatte, war spektakulärer als die neuen Ermittlungsergebnisse vom Lehrermord. Die Richtigstellung, dass es sich um keinen Amoklauf gewalttätiger Schüler handelte, war heute nur noch ein paar Zeilen wert.
    Über die Avus fuhr er nach Zehlendorf. Er ließ die City hinter sich und damit auch ihre Helligkeit, eine grelle Lichtglocke, die ständig über Berlin hing. Kalkbrenner fuhr der Dunkelheit entgegen.
    Im Autoradio suchte er

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