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Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Titel: Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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ankündigte. Erst dann sprang auch er auf den Bahnsteig.
    Betty war bereits auf der Rolltreppe auf dem Weg nach oben. Er hastete drei Stufen auf einmal nehmend hinter ihr her. Sie überquerte die Leipziger Straße, nahm einen Weg zwischen zwei Häuserfronten hindurch. Plötzlich blieb sie stehen. Er befürchtete schon, sie hätte ihn entdeckt, doch sie zündete sich nur eine Zigarette an. Erleichtert setzte er seine Verfolgung fort.
    Neonlicht erhellte die Seitenstraße.
Love & Emotion
versprachen die Buchstaben. Betty betrat den Eingang zum
Apollo.
Vielleicht war genau das die größte Enttäuschung.

79
    Mitten in der Nacht erwachte Kalkbrenner. Er lag in der Finsternis seines provisorischen Schlafgemachs. Plötzlich kam er sich lächerlich dabei vor, die Nacht allein auf der Couch zu verbringen.
    Er verspürte den Wunsch nach Gesellschaft. Es war eine ganze Weile her, dass Ellen und er sich umarmt hatten. Es war verdammt lange her, dass ihn überhaupt jemand umarmt hatte. Erst jetzt, als er sich hier unten auf dem Sofa herumwälzte, während seine Frau ein Stockwerk über ihm im Bett lag, merkte er, wie sehr ihm die Nähe zu einem Menschen fehlte.
    Er befreite sich von der Decke, die einem Strick gleich um seinen Körper geschlungen war. Als er sich vom Sofa erhob, tapste sofort Bernie aus der Dunkelheit auf ihn zu und schmiegte seinen haarigen Schädel an ihn. Es war nur ein schwacher Trost.
    Kalkbrenner wartete einige Sekunden ab, bis sich seine Augen an die Dunkelheit im Raum gewöhnt hatten. Durch das Fenster fiel nur wenig Licht herein.
    Leise schlich er zum Kühlschrank, nahm Apfelsaft heraus und trank ihn direkt aus der Flasche. Ihm war, als spülte er dabei auch den schalen Geschmack der Einsamkeit hinunter. Für eine Weile stand er so da und starrte in das Zwielicht der Küche.
    Ob Ellen schlief? Er trat an die Treppe und lauschte nach oben. Kein behäbiges Knarzen der Matratze, nicht einmal ein Geräusch der Bettdecke, nichts, was darauf hindeutete, dass sie sich ebenso wie er schlaflos herumwälzte.
    Er wollte sie weder wecken noch bedrängen.
Gib uns ein bisschen Zeit.
    Er kehrte zur Couch zurück, legte sich unter die Decke und zog sie ans Kinn. Erst als die Nacht allmählich der Dämmerung wich, schlief er ein.

Berliner Kurier, Dienstag, 2. Oktober 2004
    Eilmeldung:
Ehrenbürger verhaftet!
    Berlin. Kurz vor Redaktionsschluss erfuhr der Kurier: Miguel Dossantos, »Ehrenbürger vom Kiez«, ist verhaftet worden.
    Über die Anklage schweigt sich die Staatsanwaltschaft bislang aus. Unbekannt ist daher auch, ob die Verhaftung mit dem Anschlag auf das Szene-Lokal
Café Hermano
in Zusammenhang steht, bei dem erst am Sonntag Miguel Dossantos’ Sohn Samuel ums Leben kam. Der Mord soll auf das Konto des organisierten Verbrechens gehen.

80
    Die Uhr zeigte schon nach 11.00.
Verdammt, verschlafen!
Paul Kalkbrenner stolperte über Bernie, der sich vor dem Sofa ausgebreitet hatte. Er spurtete die Stufen ins Bad hinauf und stellte sich unter die Dusche. Abwechselnd ließ er heißes und kaltes Wasser über seinen Körper sprudeln, damit sein Kreislauf schneller in Schwung kam. Als er fertig angekleidet in die Küche hetzte, brühte Ellen gerade Kaffee auf.
    Während Kalkbrenner sich ein Brot mit Schinken zubereitete und es verschlang, sprang der Hund gierig um den Tisch herum. Kalkbrenner kippte den Kaffee hinterher und verbrannte sich die Zunge. »Verdammt«, fluchte er. Und noch einmal: »Verdammt!«
    Bernie kläffte. Kalkbrenner scheuchte ihn ungehalten raus in den Garten. Blauer Himmel wölbte sich über der Stadt. Ein weiterer prächtiger Spätsommertag strebte seinem Höhepunkt entgegen. »Eigentlich hatte ich ja versprochen, mit dir und Bernie eine Runde zu drehen«, entschuldigte er sich, als Ellen zu ihm auf den Rasen trat.
    Seine Frau strich dem Vierbeiner durchs Fell. »Gehen wir halt alleine.«
    »Heute Abend auch?«
    »Natürlich.«
    »Ich würde gerne noch meine Mutter besuchen.«
    »Das mit deiner Mutter«, begann Ellen, und auf ihr Gesicht legte sich ein Schatten, der Kalkbrenner zurück in die Küche trieb, wo er sich ein weiteres Brot belegte. Ellen folgte ihm. Angespannt stand sie im Türrahmen.
    Er hielt die Scheibe in der Hand, biss aber nicht hinein. »Was ist mit meiner Mutter?«
    »Willst du sie wirklich im Heim lassen?«
    Kalkbrenner atmete tief durch.
    »Paul?«, fragte Ellen.
    »Ellen, bitte …«
    »Nein, meine Frage ist ernst gemeint.«
    So ernst wie in den vergangenen drei Jahren.
In

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