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Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Titel: Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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einen Sender, der ihn aufheitern würde. Kiss FM spielte Hip-Hop, nach dem ihm nicht der Sinn stand. Er zappte weiter und landete bei Fritz. Techno pumpte aus den Boxen. Das war zwar auch nicht seine Musik, aber zumindest war sie nicht schwermütig und düster. Er drehte die Lautstärke auf. Es dröhnte in seinen Ohren und hinter seinen Schläfen, aber das war vollkommen in Ordnung.
    In Zehlendorf passierte er die Einfamilienhäuser mit den gepflegten Vorgärten und den kunstvollen Namensschildern neben der Tür, die verrieten, wer einem öffnen würde, wenn man die Klingel betätigte. Zehlendorf gehörte zu Berlin und war doch eine andere Welt. Hier draußen waren sogar Sterne am Himmel zu erkennen.
    Als er den Wagen in der Auffahrt parkte, signalisierte sein Handy eine eintreffende SMS. »Danke, mein Held. Judith.«
    Die Worte irritierten ihn, und er blieb eine Weile im Vorgarten stehen. Neben den mächtigen Tannen wirkte das Haus so winzig wie die meisten in der Umgebung. Mit einem Wort: gemütlich. Aber noch war es weit davon entfernt, wieder sein vertrautes Zuhause zu sein. Es brauchte Zeit.
    Mit einem Mal wurde ihm bewusst, was ihn am Nachmittag so verstört hatte. Es war die Vertrautheit, die in Judiths Umarmung gelegen hatte.
Du bist mein Held.
So hatte Judith ihn vor 20 Jahren genannt, und es kam ihm vor, als wäre es erst gestern gewesen.
    Er beeilte sich, ins Haus zu gelangen.

78
    »Was ziehst du denn für ein Gesicht?«
    Er stand an der Theke des Clubs, als das Mädchen ihn ansprach. Die Disco war gut gefüllt, obwohl es Montag war. Schwitzende, halb nackte Körper bewegten sich zu mörderisch lautem Techno.
    »Nerven dich die Leute?«
    Die Frauen posierten enthemmt in BH und Minirock. Die Männer präsentierten braune Haut und mit Anabolika aufgeblähte Muskelmasse.
    Sie bohrte mit dem Zeigefinger in ihrem Mund herum und tat so, als müsste sie erbrechen. »Guck dir diese Mutanten an.«
    Mutanten.
Nicht schlecht, sie besaß Humor. Sie war nicht aufgebrezelt wie die anderen Weiber hier. Ihr Gesicht, eingerahmt von roten Haaren, hatte sich eine Natürlichkeit bewahrt, die sie von den
Mutanten
positiv unterschied. Das gefiel ihm. Genauso wie ihre Aversion gegen das verlogene Treiben hier.
    »Ich bin Betty«, stellte sie sich vor.
    Er wollte Betty fragen, was sie ausgerechnet hierher verschlagen hatte, doch sie winkte ihm schon salopp zum Abschied zu. »Vielleicht sieht man sich noch mal.«
    »Gerne«, sagte er.
    Es zog ihn auf die Tanzfläche. Leichtigkeit trug ihn durch das flackernde Licht. Ihn störte nicht einmal mehr das aufgeplusterte Gehabe der anderen. Er fühlte sich nicht mehr allein. Er fühlte sich verstanden.
    Dann sah er Betty wieder
,
in einer halbdunklen Nische des Darkrooms. Nackt stand sie zwischen zwei Männern.
Mutanten!
Einer der beiden Typen bearbeitete ihren blanken Po. Die Haut war bereits feuerrot. Der andere hielt Betty an den Armen fest, so dass sie sich nicht wehren konnte.
    Er stürmte dazwischen. Einer der beiden schubste ihn rüde beiseite. Die Musik dröhnte aus den Boxentürmen. Er verstand nicht, was der Mutant zu ihm sagte, aber es interessierte ihn auch nicht. Seine Aufmerksamkeit galt einzig dem Mädchen.
    Dann schrie der Typ: »Verpiss dich, du Wicht!«
    Betty wehrte sich auch jetzt nicht, als sein Eingreifen ihr die Möglichkeit dazu gab. Willig lieferte sie sich den Männern aus. Sie stand nach vorne gebeugt, ihre Brüste baumelten im Takt der Schläge. Die Augen hatte sie verzückt verdreht.
    »Weitermachen«, stöhnte sie. »Bitte!«
    Er konnte sie nicht hören, las aber die Worte von ihren Lippen ab. Er rannte zurück auf die Tanzfläche, stopfte sich eine Pille in den Mund, dann noch eine und noch eine, wartete darauf, dass die Wirkung einsetzte.
    Später traf er Betty an der Theke wieder. Sie war allein, die Männer waren weit und breit nicht zu sehen. »Möchtest du einen Drink?«
    Er bestellte ihr ein Bacardi Cola und beobachtete sie, während sie sich mit dem Getränk auf der Tanzfläche amüsierte. Ab und zu winkte sie ihm zu. Sie machte Faxen und verulkte die aufgeblasenen Frauen und Männer um sich herum. Als wäre nichts geschehen. Alles nur ein Trugbild. Wieder einmal.
    Irgendwann verabschiedete sie sich, und er folgte ihr unbemerkt. Sie war in Eile. Vielleicht wartete ja jemand auf sie. Ihr Freund? Ob sie ihr falsches Spiel auch mit ihm trieb?
    Am Potsdamer Platz verließ Betty die U-Bahn. Er wartete, bis das Signal das Schließen der Waggontüren

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