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Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Titel: Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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Kalkbrenner gab Entwarnung. »Ist schon okay.«
    Das Gesicht des Reporters war von Falten zerfurcht. Seine Augenlider hingen müde nach unten, auf den Wangen und der Nase waren einige Äderchen geplatzt. Zweifellos hatte der Alkohol an ihm genagt, und der Herzanfall war auch nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Aber wenn es stimmte, was man sich auf den Polizeifluren erzählte, dann war Sackowitz seit seinem Kollaps trocken.
    Der Reporter wischte sich den Ketchup von der Hand und reichte sie Kalkbrenner. »Ich dachte, Sie wären im Urlaub?«
    »Vielleicht bin ich das ja noch, Herr Sackowitz.«
    Der Journalist lachte heiser. »Ein Urlaub sieht für mich aber anders aus.«
    »Da unterscheiden wir beide uns eben.«
    Es hatte mal eine Zeit gegeben, da hätte er den Polizeireporter des
Berliner Kurier
am liebsten eigenmächtig mit bloßen Händen erwürgt, sobald er nur dessen Alkoholfahne gerochen hatte. Doch seit der Sache im Juni begegneten sie sich mit höflichem Respekt, auch wenn sie keine Freunde mehr werden würden. Kalkbrenner hatte Sackowitz die Story seines Lebens verschafft, der Reporter hatte im Gegenzug einen lobenden Artikel über die Arbeit des Kriminalkommissariats geschrieben, ebenjenen Bericht, der schließlich zu Dr. Salms Beförderung und der Einstellung des Disziplinarverfahrens gegen Kalkbrenner geführt hatte.
    Trotzdem wäre es Kalkbrenner jetzt lieber gewesen, Sackowitz wäre ihm nicht über den Weg gelaufen, denn er fragte: »Hat Ihre Rückkehr etwas mit dem Amoklauf zu tun?«
    »Herr Sackowitz, Sie wissen genauso gut wie ich, dass ich …«
    »Sie kommen doch nicht vorzeitig aus dem Urlaub zurück, nur weil sie neugierig auf den Tatort sind? Der Fall ist doch eindeutig. Oder gibt es neue Erkenntnisse?«
    »Nein.«
    Der Reporter pickte einen Kartoffelschnitz von dem Pappteller und schob ihn sich in den Mund. »Sie belügen mich doch nicht, oder?«
    »Warum sollte ich?«
    »Herr Kalkbrenner«, schmatzte er. »Wenn da …«
    »Herr Sackowitz«, unterbrach er den Journalisten. »Sie kennen doch die Spielregeln.«
    »Ja, aber …«
    »Wenn Sie Fragen haben, richten Sie diese bitte an den Pressesprecher im Präsidium.«
    Sackowitz rollte mit den Augen. »Mit dem habe ich schon gesprochen. Heute Morgen. Gesprächig wie immer.«
    Weil Kalkbrenner nichts weiter einfiel, wandte er sich ab und schob sich kurzerhand an den uniformierten Beamten vorbei, die die Absperrung des Schulhofs bewachten.
    Der hohe Eisenzaun, der den Platz von der Straße trennte, erweckte einen beinah militärischen Eindruck. Die Gebäudefassade glich einer preußischen Kaserne, die sich tapfer und stur dem Niedergang des Stadtviertels entgegenstemmte. Vergeblich, wie die beiden Transporter der Spurensicherung vor dem Gebäude bezeugten.
    Auf den Stufen zum Eingang ergoss sich zudem ein Meer aus Kerzen, Rosen und selbstgebastelten Schildern. Kalkbrenner hielt kurz inne und ließ die Szenerie auf sich wirken. Derartige Beileidsbekundungen waren in den Fernsehnachrichten inzwischen keine Seltenheit mehr. Columbine. Erfurt. Emsdetten. Blackberry.
    In seinem knittrigen Anzug stand Berger steif wie ein altpreußischer Gardeoffizier neben Kalkbrenner und zwirbelte seinen Schnauzbart. Es fehlte nur noch die Pickelhaube. Kalkbrenner kam nicht gegen den Impuls an. Den Blick noch immer unverwandt auf das herrschaftliche Gebäude gerichtet, fragte er: »Sebastian, bist du hier zur Schule gegangen?«
    Abrupt entglitt seinem Kollegen der Bart. »Wie kommst du denn darauf?«
    »Ach, war nur so ein Gedanke.« Belustigt lief Kalkbrenner die Stufen zur Eingangstür hoch. Zwei weitere Polizisten trugen Sorge, dass kein Unbefugter das Gebäude betrat. Einer der beiden öffnete ihnen die Tür zum Foyer.
    In der ersten Etage führte ein langer Flur durch das Gebäude. In regelmäßigen Abständen zweigten Türen zu den Klassenräumen ab. Ziemlich weit am Ende stand eine sperrangelweit auf. Geräusche und Stimmen waren zu vernehmen. Als sie den Raum fast erreicht hatten, trat Dr. Franziska Bodde aus dem Zimmer.
    Seit ihrem letzten Aufeinandertreffen hatte sie sich nicht verändert. Wie immer trug sie Jeans, eine schlichte Bluse und Sneakers, ihr langes schwarzes Haar hatte sie zu einem Zopf gebunden. Sie wirkte so gar nicht wie die Leiterin des Tatort- und Erkennungsdienstes vom LKA, das in Berlin für die Kriminalpolizei die Spurensicherung übernahm. »Hallo, Herr Kalkbrenner! Wie war Ihr Urlaub?«
    »Zu kurz.«
    »Ist er das nicht

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