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Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Titel: Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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Opfer an die Kehle zu springen. »Er hat Schande über die Familie gebracht.« Damit knallte er die Tür zu, und Kalkbrenner sah wenig Sinn darin, auf einer Fortführung des unerquicklichen Gesprächs zu bestehen.
    Das fortwährende Prasseln des Regens drückte aufs Gemüt. Als Kalkbrenner in die Sonnenallee einbog, fuhr er an Häusern und Geschäften, Restaurants und kleinen Hotelpensionen vorbei, alle dicht an dicht gebaut, ohne besonderen Stil oder Flair. Er verstand nicht, warum ausgerechnet diese Straße in Neukölln Kultstatus besaß.
    Er schaltete das Autoradio ein. Hip-Hop mit dumpfen Bässen und rüden Texten schmetterte aus den Lautsprechern. Warum die Jugendlichen gerade auf diese brachiale Musik standen, entzog sich ebenfalls seinem Verständnis. Er mochte Bands wie Deep Purple und deren guten alten, hausgemachten Rock, aber damit war heutzutage wohl keine Quote mehr zu holen.
    An der Kreuzung vor dem Arbeitsamt fuhr er nach links und war kurz darauf in Treptow. Er passierte Kolonien von Gartenlauben, bevor er ein Wohngebiet erreichte. Vor einem Zweifamilienhaus unweit der S-Bahn-Station Plänterwald stellte er den Wagen ab.
    Das Gebäude war erst jüngst saniert worden. Wie ein Skelett ragte das Baugerüst noch vor der Fassade des Altbaus aus dem 19. Jahrhundert auf. Die Wohnung im Erdgeschoss stand leer. Basilisken zierten den Balkon in der ersten Etage, auf dem in Blumenkästen Freesien blühten. Die Fenster waren hoch und mit verschnörkelten Rahmen versehen, die passende Umgebung für einen Lehrerhaushalt.
    Oder für Rentnerinnen wie die alte Dame im Haus gegenüber, die sich aus dem Fenster lehnte und ihre Arme auf einem Kissen abstützte. Sie behielt die Straße im Auge, die Nachbarn und überhaupt alles, was sich so tat. Freundlich nickte sie Kalkbrenner zu.
    Er grüßte mit einer leichten Kopfbewegung zurück und klingelte. Aus dem Lautsprecher kam die leise Stimme einer Frau: »Ja, bitte?«
    »Kriminalkommissar Kalkbrenner. Frau Brodbeck, entschuldigen Sie die Störung. Ich würde mich gerne mit Ihnen unterhalten.«
    Es knackte in der Leitung. Die Tür blieb verschlossen. »Wie war Ihr Name?«
    »Paul Kalkbrenner. Ich bin Kriminalkommissar der …«
    Die Stimme unterbrach ihn. »Paul? Du?«
    Die Tür wurde entriegelt.

37
    Auf dem Weg zurück ins
Hermano
klingelte Miguel Dossantos’ Communicator. »Du bist spät dran«, beschwerte sich Boccachi.
    Dossantos nuschelte etwas, weil er sich gerade ein Aspirin über die Lippen schob und mit einem Schluck Selters runterspülte. Die letzte Nacht steckte ihm noch in den Knochen.
    »Wir warten auf dich.«
    »Wer ist
wir

    »David ist …«
    »Was macht er bei dir?«
    »Wir haben uns heute früh in der Kanzlei getroffen. Weil er ab morgen für vier Wochen Urlaub hat …«
    »Vier Wochen? Mein Gott, warum denn so lange?«
    »… und weil es sein erster Urlaub seit Jahren ist, hielt ich es für eine nette Geste, ihn mal wieder ins
Hermano
einzuladen.«
    Seit zehn Jahren, seit das Edelrestaurant seine Türen geöffnet hatte, traf sich Dossantos dort jeden Sonntag mit seinem Freund zum verspäteten Mittagessen. Anfangs waren sie in Begleitung ihrer Frauen gewesen. Doch seit Claudios Scheidung und Catharinas Erkrankung blieben die beiden Männer meist unter sich, nur ab und an ergänzte Samuel die Runde. Oder Boccachis Kollege David. »Ausgerechnet diesen Zahlenschubser.«
    »Du weißt, er mag es nicht, wenn du ihn so nennst.«
    »Dann eben diesen
sonderbaren Kauz.
«
    »Das ist er nicht«, widersprach der Anwalt. »Er mag halt nicht wie du den großen Trubel.«
    »Genau, deshalb verbringt er seine vier Wochen Urlaub bestimmt auch auf der Couch in seinem Apartment, vertieft in Paragrafen und Gesetze.«
    »Wenn es das ist, was ihm gefällt?«
    Dossantos warf sich ein weiteres Aspirin in den Mund und würgte es die Kehle hinab. »Nicht die Huren zu vergessen, für die er seine Kohle rausschmeißt.«
    »Du willst doch nicht behaupten, dass du das verwerflich findest.«
    Dossantos grunzte. Er wusste sehr wohl, was er an David Block hatte. Der schmächtige, humpelnde Anwalt war Claudios Entdeckung gewesen. Dieser hatte Block auch von einer kleinen, unbedeutenden Kanzlei abgeworben, in der sein Talent zu verkümmern drohte: David Block war ein Finanzgenie. Nicht zuletzt mit seiner Hilfe war Dossantos’ Vermögen rapide angewachsen. Block hatte unermessliches Vergnügen an allem, was mit internationalen Märkten, Banken und Gesetzen zu tun hatte. Leider war

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