Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
Groll richtete. Gegen Miguel? Gegen dieses dünne Gesöff, das der Portugiese Kaffee nannte? Oder gegen sich selbst, weil er sich von Claudio dazu hatte überreden lassen, mit ins
Hermano
zu kommen? Eigentlich war er nur mitgegangen, um keinen Verdacht zu erregen, heute, am letzten Tag vor seinem Urlaub. Wenn seine Tischnachbarn wüssten, was das für Ferien werden würden.
Denk jetzt nicht daran!,
warnte ihn eine Stimme in seinem Schädel. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt: Je weniger er über seine Vorhaben nachdachte, umso geringer war die Gefahr, dass er sie verriet. Dennoch konnte er die stille Vorfreude, die ihn jetzt erfüllte, nicht verhehlen. Sie war einfach da, spülte sogar den bitteren Geschmack des Bica fort.
»Was lachst du so?« Miguels Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.
Das Blut schoss Block heiß ins Gesicht. Er rief sich zur Räson. »Es ist …«, er suchte nach Worten und sah Samuel, der sich in die Büroräume des
Hermano
verdrückte. »Ich meine …«
»Lass uns den ganzen geschäftlichen Kram einfach vergessen«, schlug Miguel vor, zeigte sein unverwechselbares Botox-Grinsen und schlug ihm wie einem guten Kumpel auf die Schulter.
Die joviale Attitüde war freilich nur geheuchelt. Miguel glaubte wohl, er wüsste das nicht. Natürlich hätte Dossantos seine Verachtung für ihn niemals offen zugegeben. Dafür war ihm Blocks Können viel zu wichtig. Doch der hatte sein verflixtes Leben lang gelernt, die versteckten Zeichen seiner Mitmenschen zu deuten. Und aus jeder Geste Miguels sprach dessen verächtliche Meinung über den schüchternen, schweigsamen und sonderbaren Kauz.
Den Zahlenschubser!
Wie Block es hasste, wenn Miguel ihn so nannte. Und er tat es nahezu jedes Mal, wenn sie aufeinandertrafen.
Dossantos sprach weiter. Block hörte ihm nicht zu. Er behielt Samuel im Auge, der zwei junge Männer durch den rückwärtigen Flur des Restaurants führte. Dort dirigierte er sie in eines der Zimmer. Das waren doch nicht etwa …?!
»Das kann ich doch, oder?« Miguel hatte ihm eine Frage gestellt.
»Wie bitte?«
»Dir vertrauen?«
Samuel kam ins Restaurant zurück. Allein. Blocks Herz schlug schneller. Das Blut begann hinter seinen Schläfen zu pochen. Das Gemurmel der Gäste war ein tosendes Rauschen in seinen Ohren. Er antwortete, und es war, als würde jemand anders die Worte sprechen: »Wann konntest du das denn nicht?«
»Ja, mein Freund«, feixte Miguel. »Du hast recht. Wann konnte ich das denn nicht?«
Samuel stand jetzt vor ihrem Tisch. »Papa, kannst du bitte kurz mit nach hinten kommen?«
»Wieso?«
Samuels Blick streifte Block unverwandt. »Ich muss mit dir reden.«
»Was gibt es denn?«
»Wir haben ein kleines Problem mit dem Computer.« Erneut schaute Samuel verstohlen zu Block hinüber. Dem wurde unter seinem Anzug heiß und kalt.
Ein Problem mit dem Computer
? Wohl kaum! Block keuchte laut.
Miguel wandte sich ihm zu. »Alles in Ordnung mit dir?«
»Nur das Wetter«, brachte Block gepresst hervor und lockerte seinen Krawattenknoten. Ihm war unerträglich heiß.
»Papa, kommst du jetzt bitte?«, drängelte Samuel.
»Was ist denn?«, stöhnte Miguel.
»Es ist dringend.«
Block konnte sich nur zu gut vorstellen, was so wichtig war. Er durfte nicht zulassen, dass Dossantos davon erfuhr.
Jetzt noch nicht!
Er musste schnell etwas unternehmen. Bloß was?
Der Portugiese machte jetzt tatsächlich Anstalten, sich zu erheben. Die Situation drohte Block zu entgleiten. Ihm wurde schlecht bei dem Gedanken, was das für ihn bedeutete.
»Miguel, was ich dir noch sagen wollte …«, setzte Block an und verschluckte den Rest seines Satzes, da unverhofft Rettung nahte.
Gott sei Dank!
Dossantos sank bereits wieder auf seinen Stuhl zurück. Bruno und Robert bauten sich neben ihm auf.
Bullige Männer mit grimmigen Mienen hatten soeben das
Hermano
betreten. Ihre Präsenz wirkte bedrohlich. Die Gespräche im Restaurant verstummten. Dann kamen zwei weitere Männer in grauen Maßanzügen durch die Tür herein. Ein Kellner erkundigte sich nach ihrer Reservierung, doch er wurde ignoriert. Zielstrebig steuerten sie auf Miguels Tisch zu.
Ohne ein Wort ließen sie sich auf den freien Plätzen nieder. Die stiernackigen Bodyguards blieben ausdruckslos hinter ihnen stehen.
In dem Moment traf Block eine Entscheidung. Sie fiel ihm nicht leicht, seine Übelkeit verschlimmerte sich bei der bloßen Vorstellung daran.
Denk jetzt nicht daran!
Mach es einfach!
Es war seine einzige Chance.
»Ich
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