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Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Titel: Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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Kalkbrenner stockte, fuhr dann aber schnell fort, »… Brodbeck.« Er berichtete von dem Timer und seinem Kollegen Schöffel vom LKA, der sich an Laptop und Handy des Lehrers versuchen wollte.
    »Was hast du jetzt vor?«, wollte Berger wissen.
    »Ich hole gerade meine Mutter.« Er parkte in der Straße am Görlitzer Park.
    »Aha«, war alles, was Berger zum Abschied brummelte.
    Es schmerzte Kalkbrenner, seine Mutter durchnässt auf den Stufen im Hausflur hocken zu sehen. Unter dem Mantelschoß lugte der Saum ihres Nachthemdes hervor. An den Füßen trug sie nur ihre Pantoffeln. Er verfluchte den neuen Mieter, dessen Namen er immer wieder vergaß, weil er Käthe Maria nicht mal für die wenigen Minuten, bis er kam, ins Warme bat.
    »Da ist jemand in meiner Wohnung, Paul«, beschwerte sie sich, als ihr Sohn sie wieder die Treppen zur Straße hinunterführte. »Er soll da raus!«
    Im Stockwerk über ihnen ging die Tür auf. Ein teigiges Gesicht spähte über die Treppenbrüstung. »Ich dachte, das wäre endgültig vorbei.«
    »Es tut mir leid.«
    »Sie wissen schon, dass das Hausfriedensbruch ist? Außerdem erschrecken sich unsere Kinder jedes Mal zu Tode, wenn Ihre Mutter vor unserer Wohnung sitzt.«
    »Das ist meine Wohnung!«, rief Käthe Maria.
    Der kleine, dickliche Mann verdrehte die Augen.
    »Ich muss doch das Abendessen machen!«
    »Sie müssen zurück in die Klapse!«
    »Paul, er soll da verschwinden.«
    »
Sie
sollen verschwinden!« Der Mann brüllte jetzt. »Verdammt, kapieren Sie doch endlich, Sie wohnen nicht mehr hier. Sie verrückte alte Schachtel!«
    Käthe Maria brach in Tränen aus. Kalkbrenner schleuderte dem Mann einen wütenden Blick zu, aber der war bereits in seine Wohnung geflüchtet. Absurderweise fiel Kalkbrenner gerade jetzt dessen Nachname ein: Er hieß Peters.
    »Komm, Mama.« Weil sie klatschnass war, legte er ihr vorsichtig seine Jacke über die Schultern. Er spürte, wie sie am ganzen Leib zitterte. Er wollte nicht, dass sie sich auch noch eine Grippe einfing. Als er ihr die Beifahrertür aufhielt, staunte sie. »Seit wann hast du denn ein Auto, mein Junge?«
    »Schon sehr lange.«
    »Darfst du denn überhaupt schon fahren?«
    »Natürlich, Mama.«
    »Wirklich?«
    Er startete den Wagen, und sie klammerte sich an ihrer Handtasche fest. Niemals ging sie ohne Handtasche außer Haus. Sie enthielt alles, was Käthe Maria auf Reisen brauchte: einen Flakon
4711,
Taschentücher und das Portemonnaie, das allerdings leer war, weil die Pfleger im Heim ihr kein Geld erlaubten.
    Eigentlich war es ein Wunder, dass sie in all den Monaten, die sie sich schon aus dem Pflegeheim stahl, noch nie von den Fahrkartenkontrolleuren der BVG erwischt worden war. Ebenso bemerkenswert war es, dass sie mit ihrem angegriffenen Verstand überhaupt noch nach Kreuzberg fand. Die Krankheit hatte ihr zwar vieles geraubt, aber nicht den Willen zur Heimkehr.
    Kalkbrenner fuhr die Skalitzer Straße entlang und bog am Schlesischen Tor in die Köpenicker Straße ein. Vor einem türkischen Supermarkt hielt er an. Wenn er etwas an Berlin mochte, dann die Möglichkeit, zu jeder Tages- und Nachtzeit einzukaufen.
    »Ist das schön!«, freute sich seine Mutter. »All die bunten Lichter.«
    Mit ihrem Finger zeigte sie auf ein Haus, dessen Fenster mit roten Gardinen verhängt waren. Die Schrift des Fassadenschildes,
Chez Nous,
flackerte abwechselnd in Grün, Gelb und Rot.
    Zwei Männer kamen durch den Regen herangeschlendert und blieben vor dem Vorhang stehen, der statt einer Tür im Durchgang hing. Sie unterhielten sich kurz, dann schoben sie die Gardine beiseite und verschwanden im Club. Kurz darauf folgte ihnen ein weiterer Mann.
    »Was machen die denn da drin?«, fragte Käthe Maria.
    »Die haben ihren Spaß«, antwortete Kalkbrenner, ohne darüber nachzudenken. »Bleibst du hier, Mama?«
    »Wo soll ich denn hin, mein Junge?«
    In Windeseile erledigte er den Einkauf. Doch als er mit der Tüte voller tiefgefrorener Garnelen, Weißbrot und den Zutaten für den Salat den Passat erreichte, trippelte seine Mutter gerade über die Straße. Sekunden, bevor sie durch den Vorhang verschwinden konnte, hatte er sie eingeholt.
    Ein kleiner, dürrer Mann verließ in dem Moment das Bordell und spannte seinen Regenschirm auf. Fast rannte er Kalkbrenners Mutter über den Haufen. Er konnte ihr gerade noch ausweichen. »Hatten Sie Spaß?«, fragte sie ihn.
    Dem Mann schoss das Blut in den Kopf.
    »Entschuldigen Sie!«, bat Kalkbrenner. »Sie

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