Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Titel: Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
Vom Netzwerk:
den Stress, die Angst und die Panik.«
    »Was sie natürlich niemals zugeben würden. Weswegen sie auch kein Wort darüber verlieren. Dennoch verraten sie es mir durch Blicke, Gesten, Zeichen, unbewusst, nebenbei. Ich wäre ein schlechter Therapeut, wenn ich das nicht registrieren würde.«
    »Um welche Probleme handelt es sich dabei?«
    Winkels presste die Lippen aufeinander.
    »Wussten Sie eigentlich«, fragte Kalkbrenner, »dass in 95 Prozent aller Mordfälle der Mörder aus dem direkten Umfeld des Opfers kommt?«
    Der Therapeut schaute ihn an. Er sagte noch immer nichts, aber das Schweigen war Antwort genug.

57
    Magda hatte im Speiseraum für das Frühstück gedeckt. Der Koch hatte alles zubereitet, wie Miguel Dossantos es sich normalerweise wünschte: Rührei mit Speck, Würstchen, Schinken und Kaviar. Aber an diesem Morgen ließ er die Speisen achtlos liegen. Er kriegte heute keinen Bissen runter. Er hatte ja nicht einmal geschlafen. Wozu also frühstücken?
    Das Zimmer war prächtig, wie ein Ballsaal mit einem langen, maßgefertigten Tisch aus massivem Holz, an dem sich Stühle wie Throne mit hohen Lehnen und verschnörkelten Schnitzereien entlangreihten.
    An der Wand hing ein goldgerahmtes Bild. Es zeigte Catharina vor 20 Jahren, jung, schlank und schön. Wie in einem Traum. Nur auf ihrem Gesicht lagen Schatten, strafend, fast böse. Vielleicht bildete er sich das nur ein, aber das Foto genügte, um ihn endgültig aus dem Speiseraum zu vertreiben.
    Als er auch noch die Schritte seiner Frau auf der Treppe hörte, beeilte er sich, schnellstens ins Arbeitszimmer zu gelangen. Dort setzte er sich an seinen Schreibtisch, stützte das Kinn auf die gefalteten Hände und starrte auf die Papiere vor ihm, ohne wirklich zu lesen. Dann legte er sie zu den Unterlagen des Bestatters, auf die er sich ebenso wenig konzentrieren konnte. Die Polizei hatte die Leiche seines Sohnes zwar schon freigegeben, aber die Beerdigung würde ohnehin erst am Samstag stattfinden.
    Er griff zum Telefon und wählte eine Nummer. Es wurde abgenommen.
    »Ich hier«, sagte Dossantos.
    »Miguel? Was willst du?«
    »Ich möchte wissen, wie es mit dem Grundstück am Messegelände aussieht?«
    »Aber dein Sohn ist …«
    »Was ist mit ihm?«
    »Jetzt, wo er … Also, ich dachte …«
    »Was gibt es da zu denken?«
    Keine Antwort.
    »Ich
will
das Grundstück.«
    Ein Brummen. »Ich sagte dir doch, ich werde mich bemühen …«
    »Ich möchte mehr als nur dein Bemühen.«
    »Wie stellst du dir das vor? Es geht dabei immerhin um ein städtisches Filetgrundstück.«
    »Ach komm, ich bitte dich: Das Grundstück ist nur so teuer, weil wir es so vereinbart haben.«
    Konsterniertes Schweigen am anderen Ende.
    Dossantos wartete einige Sekunden. Er beobachtete die Hummer, wie sie sich schwerfällig über den steinigen Boden des Aquariums bewegten. Ihre Scheren waren messerscharf. Schließlich sagte er: »Was meinst du, wie es die Öffentlichkeit auffassen würde, wenn sie erfährt, dass sich einige Herren im Liegenschaftsfonds an einem Puff bereichert haben?«
    Karl B. Brodke sagte lange Zeit nichts. Dann flüsterte er: »Du bist ein Scheißkerl.«
    »Darf ich das als Zusage verstehen?«
    Ohne ein weiteres Wort beendete Brodke das Gespräch. Dossantos schaute auf. Catharina stand mit einem Buch in der Hand vor seinem Schreibtisch. Er versuchte, den Titel zu lesen, aber es gelang ihm nicht.
    Seine Frau trug keinen Pyjama mehr. Sie hatte sich in Schale geworfen, schick wie zu ihren besten Zeiten. An den Füßen trug sie sogar schwarze Stiefel mit Absätzen.
    »Kannst du darin laufen?«, fragte er.
    »Ich bin jahrelang damit gelaufen. In deinen Puffs.«
    »Ja, aber deine Gelenke!«
    Sie strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. Auch ihr Haar war frisiert. Zwar schienen noch immer graue Strähnen durch die dunkelbraunen Locken, aber trotz ihres Alters sah sie gar nicht schlecht aus. Als würde sie nicht ins Krankenhaus, sondern wieder zur Arbeit fahren. Die Krankheit war ihr nicht anzusehen, wohl aber die Verachtung, die sie ihm gegenüber empfand. »Kümmerst du dich schon wieder um deine Geschäfte?«
    »Sie erledigen sich nicht von selbst.«
    »Wie konnte ich das bloß vergessen?« Seine Frau rieb sich die Augen. Sie waren rot unterlaufen. Sie hatte geweint. Immer wieder hatte er in der Nacht ihr Schluchzen aus dem Schlafzimmer gehört. »Was ist schon der Tod deines Sohnes im Vergleich zu deinen wichtigen Geschäften?«
    »Es sind auch Samuels

Weitere Kostenlose Bücher