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Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Titel: Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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zwei Stunden verschoben.« Hönig schaute von der Zeitung auf, die er nicht las. Eigentlich wollte er sich nur vergewissern, dass sie nicht schon wieder Bilder oder Schlagzeilen enthielt, für die er sich heute rechtfertigen musste. »Frieder hat einen wichtigen Termin.«
    »Natürlich, Frieder mal wieder.«
    »Was soll der Sarkasmus?«
    Martina nahm eine Flasche Milch aus dem Kühlschrank. Mit einem Plopp öffnete sie den Verschluss und trank. »Das war nur eine Feststellung.«
    »Okay, dann eben eine sarkastische Feststellung.«
    Martina machte ein Geräusch, als ginge sie das alles nichts an. Und damit hatte sie vermutlich sogar recht.
    Trotzdem fragte Hönig: »Was hast du plötzlich gegen ihn?«
    »Das weißt du doch genau: Alles dreht sich nur noch um Frieder.«
    »Das ist gar nicht wahr.«
    »Ach, nicht? Was war denn gestern Abend? Ich hab euch beide gesehen, wie ihr euch über das Foto in der Zeitung gestritten habt.« Sie verschloss die Milchflasche und stellte sie mit einem lauten Klirren zwischen andere Flaschen zurück in den Kühlschrank. »Obwohl: Ein Streit war es eigentlich nicht wirklich. Er hat getobt, und du hast dich kleingemacht. Mal wieder.«
    »Wenn es nun mal stimmt, was er sagt.«
    Ihre Augen blitzten. »Ach ja?«
    »Er ist mein Freund«, sagte Hönig, weil er das Gefühl hatte, Frieder verteidigen zu müssen.
    Martina war bereits fast im Flur, aber jetzt wirbelte sie herum. »Dem es um nichts anderes geht als darum, was alle Welt, vor allem aber die Kanzlerin, von ihm denkt. Wie wäre es zum Beispiel, wenn
dein Freund
sich mal nicht nur darum kümmert, wie er sich am besten öffentlich verkauft, sondern dir bei deinem Problem beisteht?«
    »Wenn überhaupt, dann ist es
unser
Problem.«
    »
Unser
Problem!« Sie lachte spöttisch. »Das war ja klar.«
    »Er ist
unser
Sohn, nicht der von Frieder.«
    Verächtlich schaute Martina auf ihn herab. »Du willst es gar nicht verstehen, oder?« Sie stürmte zur Wohnungstür hinaus und rannte durch den Vorgarten. Über die Hecke zum Nachbargrundstück lugte der grauhaarige Schopf von Alois Körber. Er winkte Martina zu. Sie hob ihre Hand zum Gruß, dann verschwand sie aus Hönigs Blickfeld.
    Alois verkniff das bärtige Gesicht. Er war ein kauziger, vor allem aber redseliger Rentner, der schon im Haus nebenan gewohnt hatte, als Hönig noch ein kleiner Junge gewesen war. Ob er wohl ahnte, wie es bei ihnen mittlerweile zuging?
    Ein Schlüssel rasselte, bevor die Haustür erneut aufging. »Martina?«
    Keine Antwort. Hönig ging in den Flur. Lars –
sein, unser, wessen Problem auch immer! –
stolperte mit einem Rülpsen die Stufen hinauf in den ersten Stock. »Sag mal, kommst du jetzt erst nach Hause?«
    Wortlos stapfte Lars in sein Zimmer. Erneut knallte eine Tür. Hönig blieb am Fuß der Treppe zurück, starrte stumm nach oben. Aber da war nichts außer einem Bild seiner Eltern, von denen er das Haus in Zehlendorf geerbt hatte. Was sie wohl dazu gesagt hätten, wenn sie erfahren hätten, wie es um sein Leben stand?
    Seine Eltern waren konservativ aufgewachsen und hatten ihre Kinder ebenfalls in ein Korsett aus Konventionen und Traditionen gezwängt. Niemals hätten sie ihnen derartige Eskapaden durchgehen lassen. Hönig und seine Geschwister waren aber auch nie auf den Gedanken gekommen, gegen die Eltern zu rebellieren. Das gehörte sich nicht. Man behandelte die Eltern mit Respekt – und mit Liebe.
    Als wäre es erst gestern gewesen, hatte Hönig noch vor Augen, wie seine Mutter ihn stets an der Haustür empfangen hatte, wann immer er weinend vom Bolzplatz zurückgekehrt war, weil er sich Arme und Beine aufgeschürft hatte. Sie hatte ihn in die Küche geführt, ihm die Wunden mit Wasser abgetupft und mit Pflastern versorgt. Danach hatte er immer seinen Vater aufgesucht, der im Wohnzimmer noch in den Unterlagen aus seinem Büro versunken war. So viel Zeit ihm die Arbeit als Notar auch abverlangt hatte, er hatte immer ein paar Momente für ein paar tröstende Worte und einige Albernheiten gefunden.
    Hönig versuchte, sich daran zu erinnern, wann er mit Lars das letzte Mal ausgelassen herumgetollt hatte. War es etwa nie geschehen? Oder wollte es ihm gerade nicht einfallen? Er schämte sich. Was war schiefgelaufen?
    Er fand keine Antwort auf diese Frage, aber eins wusste er mit Bestimmtheit: Es konnte nicht mehr so weitergehen. Hönig erklomm die Stufen, klopfte an Lars’ Zimmertür. Drinnen konnte er dumpfe Stimmen hören. Hönig öffnete die Tür und

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