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Gier

Gier

Titel: Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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gesetzt. Es wäre durchaus möglich. Der Grad ihrer Verzweiflung deutet jedenfalls auf etwas sehr Drastisches hin.«
    Corine Bouhaddi musterte ihren Chef und sagte schließlich: »Derjenige, der die Twitter-Meldung ins Netz stellte, hat nicht eine, sondern zwei Personen angelockt, Personen, die er auf andere Art und Weise nicht finden konnte.«
    Â»Zwei Fliegen mit einer Klappe«, schloss Paul Hjelm.
    Â»Aber wo zum Teufel sind nur die Verbrecher?«, fragte Corine Bouhaddi.

Alphabet City
New York, 11. April
    Alphabet City hatte er sich ganz anders vorgestellt. Auf dem Weg dorthin sah er alle möglichen Bilder vor sich. Er sah Worte, die wie kleine Züge durch die Straßen brummten, er sah Gebäude, die aus Textpassagen errichtet wurden, und er sah verwirrende Buchstabenlabyrinthe. Stattdessen erwies sich Alphabet City als eine ländliche Kleinstadt. Ein kleines verschlafenes Nest im Schatten von Manhattan. Und dennoch gehörte es zu Manhattan.
    Er blieb vor einem Schaufenster stehen und betrachtete eine ansehnliche Menge Schusswaffen. Er erwog sorgfältig das Für und Wider. Dann ging er hinein. Seine neue Dienstwaffe hatte er in Krakau bei der Polizei abgeben müssen. Es hätte zu viel Aufsehen erregt und einigen bürokratischen Aufwand bedeutet, wenn er versucht hätte, die Waffe in die USA mitzunehmen. Hier hingegen war es kein Problem, sich eine zu besorgen. Es war sogar unfassbar einfach. Er trat mit einer neuen Pistole in einem Achselhalfter und einer kleinen Taschenlampe in der Tasche wieder auf die Straße hinaus. Jetzt kam er sich nicht mehr so nackt vor.
    Er wanderte von der 1st Avenue kommend auf der East 6th Street in Richtung Osten, gelangte nach Alphabet City hinein, indem er die Avenue A kreuzte und schlenderte durch den schönen Frühlingsnachmittag in Richtung Avenue B. Sein Puls schien sich zu verlangsamen, seine Atmung beruhigte sich, und seine Schritte wurden entspannter. Alles war bedeutend ruhiger hier. Er meinte, so weit entfernt von Ground Zero und der Wall Street zu sein, wie man nur kommen konnte. Alphabet City. Die Buchstaben als Zeichen für Ruhe und innere Einkehr.
    Genau in dem Augenblick, in dem Marek Kowalewski seine erhabenen Gedanken in die Himmelssphären aufsteigen ließ, wurde er überfahren.
    Zum Glück nur von einem Dreirad. Und es rollte auch lediglich über seine Füße.
    Dennoch hörte die völlig aufgelöste Mutter des dreijährigen Fahrers nicht auf, sich zu entschuldigen. Als Kowalewski sich schließlich überreden ließ, eine Wiedergutmachung in Form eines Cappuccino im Deli an der Ecke anzunehmen, taten seine Füße schon nicht mehr weh.
    Er nutzte die Gelegenheit und fragte die Mutter, ob sie in der Nähe wohnten. Was sie taten, nämlich in der Avenue B oben am quadratischen Tompkins Square Park.
    Â»Sie kennen nicht zufällig einen Gitarristen namens Kyle, der hier im Viertel wohnt?«
    Einen Versuch war es ja wert, und er hatte bereits seinen nächsten Schachzug geplant. Er wollte herausfinden, in welcher Band Kyle spielte und wo es hier Indieklubs gab. Außerdem plante er, in einem Internetcafé nach Gitarristen aus New York zu suchen. Da antwortete die Mutter, die ihm im Café gegenübersaß und gerade den Zeigefinger ihres Dreijährigen in den Mund gesteckt bekam: »Kyle? Ja, unsere Kinder gehen in denselben Kindergarten. Wenn Sie diesen Kyle meinen, jung, mit Vollbart, Gitarrist. Netter Kerl.«
    Kowalewski spürte, wie er sie regelrecht anstarrte. Sie lächelte und erklärte: »Wir haben eine gut funktionierende Nachbarschaft in Alphabet City.«
    Â»Kyle hat also Kinder? Ist er verheiratet?«
    Â»Ich glaube, er ist geschieden.« Die Mutter lachte, zog den Zeigefinger ihres Kindes aus dem Mund und versuchte, einen Schluck von ihrem Cappuccino zu trinken, woraufhin ihr der andere Zeigefinger in den Mund gesteckt wurde. Dann fuhr das Dreirad unter dem Tisch herum, und Kowalewski stieß sich mehrfach die Knie und Schienbeine daran. Aber es kümmerte ihn nicht, denn völlig unverhofft hatte er einen Treffer gelandet.
    Â»Er ist ein ziemlich guter Gitarrist«, sagte er inspiriert.
    Â»Ich weiß nicht recht.« Die Mutter lachte wieder. »Ich habe Dead Letter letztes Jahr im Hunkies spielen hören. Für meinen Geschmack etwas zu krawallig.«
    Â»Ja«, entgegnete Kowalewski, »die Musik ist ein bisschen krawallig,

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