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Gier

Gier

Titel: Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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»Sorry, man, du hast den falschen Kyle Ritchie erwischt.« Und ließ Marek als Facebook-Freund abblitzen.
    Two down, dachte Kowalewski, two to go.
    In der Band Dead Letter spielten fünf junge Männer. Nachdem er längere Zeit ohne Erfolg weiter nach Kyle gesucht hatte, begann er, die Spuren der anderen zu verfolgen. Plötzlich hatte er das Gefühl, dicht dran zu sein. Der Sänger und erste Gitarrist, Greg Paysley, war derjenige, bei dem er die meisten Treffer im Netz hatte. Und er fand ein Interview mit einer Internetzeitschrift, in dem Greg von seiner Kindheit in Queens berichtete. Greg Paysley sagte: »Ganz ehrlich, wir kommen alle fünf aus Queens. Aber ich bin der Einzige, der das zugibt. (Lachen von den übrigen Bandmitgliedern.)« Aber Greg beharrte gegenüber dem Interviewer darauf: »Hören Sie nicht auf das hohle Gelächter der Hyänen. Fucking Kyle hat sogar Professoren-Eltern. Die Professorenfamilie aus Queens. Echt verrückt, ich schwör’s. (Lachen von allen außer Kyle.)«
    Das setzte bei Kowalewski neue Energien frei. Er suchte mittels Google nach »Ritchie Professor Queens« und fand in der Tat zwei Professoren, die Ritchie hießen, einen Mann und eine Frau. Beide lehrten an der Saint John’s University in Queens. Er rief die Professorin Martha Ritchie an. Es meldete sich eine Frauenstimme. Von einem Anrufbeantworter. Stimmt ja – es war Samstag. In den White Pages waren die Ritchies ebenfalls verzeichnet. Sie wohnten in Queens, hatten aber offenbar eine geheime Nummer. Es war natürlich nicht ausgeschlossen, dass Kyle am Wochenende seine Eltern besuchte. Kowalewski notierte sich die Adresse.
    In dem Moment antwortete der dritte Kyle Ritchie auf Facebook: »Möchtest du ein Autogramm haben, Marek?«
    Kowalewski kam sich mittlerweile hart geprüft vor. Mit großer Skepsis schrieb er zurück: »Sehr gerne, Kyle. Woher habt ihr eigentlich den Bandnamen?«
    Â»Ich werde dafür sorgen, dass du ein Autogramm bekommst. Wir können uns ja treffen. Was hältst du vom Chi Chiz in einer Stunde, Marek?«
    Mit imponierender Geschwindigkeit surfte sich Marek Kowalewski zum Chi Chiz durch. Es lag nicht besonders weit entfernt. Aber es war definitiv eine Schwulenkneipe.
    Im Unterschied zu vielen seiner Landsleute hatte Marek Kowalewski keine Vorurteile gegen Homosexuelle. Doch es kam ihm ziemlich unwahrscheinlich vor, dass ein Indiepopper und Vater von Kleinkindern sich mit einem unbekannten polnischen Gast in einer stadtbekannten Schwulenkneipe treffen würde.
    Â»Klingt super, Kyle«, schrieb er. »Aber ich möchte doch noch wissen, woher ihr euren Bandnamen habt.«
    Danach betrachtete er das Facebook-Foto von diesem Kyle genauer. Er fand, dass der junge Mann dem zweiten Gitarristen von Dead Letters wirklich ziemlich ähnelte. Andererseits schien er eine Vorliebe für äußerst aufreizende Frauenkleider zu haben.
    Kowalewski seufzte und schaute zum ersten Mal seit ziemlich langer Zeit vom Computer auf. Draußen war es vollkommen dunkel.
    Er war bereits zu Facebook zurückgekehrt, als es ihm einfiel: Er hatte sich doch mit Hannah Rowlins verabredet! Es war mittlerweile 18: 50 Uhr, wie zum Teufel es auch immer zugegangen sein mochte, und er fasste einen raschen Entschluss. Das hier war der falsche Kyle Ritchie. Vielleicht hätte er die Sache genauer untersuchen sollen, aber er fand seine Entscheidung einigermaßen rational. Er bezahlte für den Computer und stürzte aus dem Café.
    Draußen auf der Avenue B sprang er in einen Bus, der in Richtung Süden zu fahren schien. Es war die Linie M9, und er sah Battery Park als Endhaltestelle aufleuchten. Er zog sein Portemonnaie aus der Tasche und fand nach intensiver Suche die Visitenkarte von Hannah Rowlins.
    Pearl Street? Wo zum Teufel lag diese Straße?
    Die Zeiger seiner Uhr passierten unerbittlich die Sieben. Der Bus ließ sich Zeit und bewegte sich wie eine Nadel im Kreuzstich durch das südöstliche Manhattan. Durch Chinatown kroch er geradezu. Die Leute gingen auf der Fahrbahn, ohne sich auch nur im Geringsten um den Bus zu scheren. Kowalewski selbst war inzwischen umhüllt von einem zwei Quadratmeter großen unbändigen New Yorker Stadtplan. Er wünschte sich von ganzem Herzen, er hätte ein besseres Handy, eines mit Apps und dem ganzen Klimbim. Eine kurze Eingabe, und er hätte gewusst, wo Pearl Street

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