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Gier

Gier

Titel: Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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lag.
    Schließlich bändigte er seinen Stadtplan mit Gewalt, bis er ein zerknittertes Päckchen in Händen hielt. Aber so hatte Kowalewski zumindest das Gebiet um die Wall Street herum vor Augen. Sie verkaufte Kleidung an Geschäftsfrauen im Finanzdistrikt, mehr wusste er nicht. Er suchte und suchte, bis er schließlich die Straße fand. Sie verlief ein paar Straßen oberhalb von Wallabout Bay und kreuzte die Wall Street. Schließlich sprang er an einer Haltestelle, die in der Nähe lag, aus dem Bus.
    Er erreichte die exklusive Boutique um kurz vor halb acht. Sie war geschlossen und dunkel. Geschäftsleute jeder Couleur marschierten vorbei. Der eine oder andere warf einen erstaunten Blick auf die Glastür der leeren Boutique.
    Kowalewski beugte sich vor, stützte sich mit den Händen auf den Knien ab und atmete heftig. Er war schon lange nicht mehr so schnell gerannt. Als er wieder aufschaute, sah er, was die Passanten irritierte. Etwas war von innen an die verstärkte Glastür des Ladens geklebt.
    Es war ein handgeschriebener Zettel mit dem Text nach außen gerichtet. Darauf stand:
    Â»Du bist wirklich ein pflichtbewusster Bulle, Marek. Schau her, New York: ES GIBT EINE OPERATIVE EINHEIT BEI EUROPOL.«
    Er wollte am liebsten laut loslachen. Aber das Lachen kam erst, als er seine Gedanken sortiert hatte. Und da war er bereits auf dem Weg zu einem Geschäft in der Nachbarschaft. Mit äußerster Skepsis musterte der Ladenbesitzer den groß gewachsenen Polen mit dem leicht geröteten Gesicht, während er das Geld für seine Ware in Empfang nahm und sie mit bedachten Bewegungen in eine der traditionellen braunen Papiertüten steckte.
    Marek Kowalewski kehrte zu der Glastür mit dem angeklebten Zettel zurück. Er steckte seine Hand in die braune Papiertüte, zog die gerade erstandene Ware heraus, nahm den Deckel ab und schüttelte sie.
    Dann sprühte er schwarze Farbe über die Glasfläche. Bis der schwarze Smiley den gesamten Zettel bedeckte.
    Als er sich umdrehte, stellte er fest, dass eine alte Dame mit einem Hündchen die gesamte Prozedur beobachtet hatte. Sie sah ihn an, als wäre sie gerade Zeugin eines Überfalls auf einen Geldtransporter geworden. Er warf die Spraydose und die Tüte in einen Mülleimer, ging dicht an der Dame mit dem Hündchen vorbei und flüsterte: »I hate Chinese whispers.«
    Dann nahm er ein Taxi nach Queens.

Diaspora
Amsterdam – Süditalien – Riga, 12. April
    Dass Schiphol der drittgrößte Passagierflughafen der Welt ist, war den beiden Gruppen absolut klar. Sie reisten mit gefälschten Pässen und gut einstudierten erfundenen Identitäten. In der Abflughalle hielten sie sich zunächst am Rand und schauten sich abwechselnd nach potenziellen Verfolgern um. Ihre Flüge gingen ungefähr zur gleichen Zeit.
    Es war 13: 30 Uhr am Sonntagnachmittag. Fabio Tebaldi und Lavinia Potorac saßen Laima Balodis und Jorge Chavez gegenüber. Sie sagten nicht viel. Sie spielten Karten.
    Ein so simples Kartenspiel wie Canasta konnte sehr unterschiedliche nationale und individuelle Regelsysteme haben, und sie hatten sich kaum über die Regeln geeinigt, als sie den ersten Aufruf hörten. Der Flug nach Rom wurde angekündigt. Easyjet, 14: 05 Uhr zum Aeroporto Leonardo da Vinci di Fiumicino, Roma.
    Neapel lag zwar bedeutend näher an Potenza, aber nach Neapel zu fliegen war riskanter. Tebaldi war zwar bereit, das Risiko auf sich zu nehmen, aber Hjelm und Sifakis waren es nicht, ebenso wenig die Opcop-Gruppe und auch nicht Europol. Allein die beiden muskelbepackten Leibwächter dazu zu bringen, ein paar Tage freizunehmen, war eine Herausforderung. Schließlich einigten sich sämtliche Parteien darauf, dass Rom die bessere Alternative sei; bedeutend mehr Flüge, weiter entfernt vom Zentrum des Geschehens und mit einem hohen Aufkommen an internationalen Reisenden. Außerdem konnte Donatella sie vom Flughafen abholen.
    Tebaldi stand auf und schaute Chavez in die Augen. Sie hatten schon zuvor auf diese typisch romanische Machoart ihre Kräfte gemessen, mit der Chavez so seine Probleme hatte. Auch diesmal ging es unentschieden aus, und das reichte Tebaldi offensichtlich. Er breitete die Arme aus und umarmte seinen schwedischen Kollegen. Die erste Reaktion von Chavez war typisch schwedisch – dieses Übertreten der Reviergrenzen war ihm peinlich –,

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