»Ich möchte ihn, ohne dass groÃes Aufsehen erregt wird, morgen früh um neun Uhr in einem Vernehmungsraum im Polizeigebäude sitzen haben.«
Bendiks Vanags richtete seinen Blick weiterhin nach vorn und schwieg.
»Ihr wollt also, dass ich einen Staatssekretär festnehme?«, fragte er schlieÃlich.
Balodis reichte ihm einige zusammengeheftete Papiere und antwortete: »Hier sind die notwendigen Unterlagen, unterschrieben von Paul Hjelm in London und dem Direktor von Europol. Aber wie gesagt, ohne Aufsehen, geht diskret vor.«
Vanags ignorierte die Papiere, die auf Höhe seiner Schulter schwebten. Er schaute weiter geradeaus.
»Ich glaube, euch ist nicht ganz bewusst, was hier auf dem Spiel steht«, meinte er schlieÃlich.
»Dann sag es uns«, bat Chavez.
Bendiks Vanags schüttelte den Kopf und drehte sich zu ihnen um. Er nahm Balodis die Papiere aus der Hand und legte sie, ohne sie eines Blickes zu würdigen, auf den Beifahrersitz. Dann musterte er die beiden auf der Rückbank und lieà seinen Blick von einem zum anderen schweifen.
»Wie sollen wir denn auf dieser Basis zusammenarbeiten können?«, fragte er. »Wie soll Europa vereint werden? Ihr sitzt da, eine Baltin und ein Skandinavier, und tut so, als sprächen wir dieselbe Sprache. Aber ihr habt völlig andere Ziele.«
»Nein«, entgegnete Laima Balodis. »Unsere Ziele sind dieselben wie deine. Du bist ebenfalls ein Teil der Opcop-Gruppe. Manchmal bedeutet das eben, dass wir gegen unsere nationalen Interessen handeln müssen. Ich musste es selbst schon tun, und da habe ich noch für die litauische Polizei gearbeitet und nicht für die europäische. Wir haben eine umfangreiche Schleuserorganisation mit Verzweigungen bis in die Spitzen der Wirtschaft und Politik hinein ausgehebelt. Für die finanzielle Lage des Landes war das schlecht. Aber für die Menschenwürde war es gut. Und irgendwo ist es doch das, wofür wir kämpfen. Dass die Starken die Schwachen nicht ausnutzen. Sag mir, wenn ich falsch liege.«
»Du liegst nicht falsch«, erwiderte Vanags. »Aber das meine ich gar nicht.«
»Sondern ...?«
Bendiks Vanags wand sich ein wenig in seinem Sitz, bevor er antwortete: »Wenn das hier herauskommt, wird Lettland untergehen. Für Schweden bedeutet das, dass die Banken eine Menge Geld verlieren, aber fürs Baltikum â und damit auch für Litauen, das weiÃt du sehr gut, Laima â ist es nicht nur ein Einschnitt, es ist der Untergang. Verstehst du? Die internationale Glaubwürdigkeit Lettlands balanciert gerade auf einem ziemlich schmalen Grat. Wir stehen inzwischen schon so lange kurz vor der Insolvenz, dass ein politischer Skandal dieses AusmaÃes den Tropfen bildet, der das Fass zum Ãberlaufen bringt. Es wird eine Insolvenz nach sich ziehen, eine starke Abwertung unserer Währung, hohe Arbeitslosigkeit, allgemeine Armut. Das Land wird zu einem Dumpingpreis an den meistbietenden Industriemagnaten verschleudert. Es wird das erste Mal in der Weltgeschichte sein, dass ein Land in Privatbesitz übergeht. Versteht ihr, was ich sagen will?«
Es war eine Weile still. SchlieÃlich meinte Chavez: »Es gibt ja immer noch die Notdarlehen.«
Bendiks Vanags starrte ihn einen Moment an. Dann brach er in ein lautstarkes Lachen aus.
»Ich glaube, dass ich den Herrschaften eine Probe des besten Wodkas von ganz Riga schuldig bin«, sagte er, scheuchte sie aus dem Wagen und fuhr davon.
Der vierte Brief
Von:
Ariadne
Betreff:
Exil
Datum:
30. März 04:31:45 EST
An:
Phädra
Es ist geschehen, meine Liebe, ich habe es getan. Ich bin in den ungesicherten Computer eingedrungen. Und ich habe es wieder gesehen. Jetzt habe ich die Bestätigung. Und mehr als das. Ich habe alles gesehen.
Ich habe alles gesehen, beste Phädra.
Als ich es Kyle erzählt habe, ist er kreidebleich geworden.
Du weiÃt ja, dass ich diesen Computer immer im Blick habe. Ich bin zu ihm hinübergeschlichen, als der Kollege endlich den Raum verlieÃ. Ich weià nicht, ob es ganz einfach der Lohn für meine Mühen war, jedenfalls war der Computer plötzlich frei, aber nicht heruntergefahren.
Ich habe es gesehen, und nichts ist passiert.
Mir ist klar, dass sie mir eine wohlgeplante Falle gestellt haben könnten, aber dann hätten sie mich doch längst zur Rede gestellt,