Gier
oder?
Dann sind da ja noch die internen Ermittler ... Sie geben sich nicht öffentlich zu erkennen, aber sie sind überall. Es sind nicht viele, aber sie arbeiten ziemlich effektiv. Inzwischen weià ich, wer dazugehört.
Allerdings waren sie in dem Moment nicht in der Nähe. Es gibt jedenfalls nichts, was darauf hindeutet. Ich war danach noch weitere vier Stunden im Büro. Aber keiner hat von mir Notiz genommen.
Diese Stunden kamen mir endlos vor. Ich war schlieÃlich gezwungen, dort zu bleiben und zu arbeiten, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Mich genauso wie immer zu verhalten. Zugleich wusste ich, dass ich in einen Computer eingedrungen war, zu dem ich keinen Zutritt hatte, und in einem Büro saÃ, das schwer bewacht wird von Männern, die mit Sicherheit kein Erbarmen kennen. Es waren höllisch lange Stunden.
Aber nichts gegen das, was noch vor mir liegt. Ich bin jetzt sieben Stunden lang zur unerbittlichen Bewegungslosigkeit verdammt. Als würde man meine Widerstandskraft auf die Probe stellen, als würde man mich testen.
Als bereite man mich vor.
Es begann mit den vier Stunden nach der Mittagspause. In dieser Zeit ist mein Entschluss gereift. Alles hat sich zu einem Ganzen zusammengefügt. Widerwärtige Erkenntnisse wie die Teile eines gruseligen Puzzles.
Als mir am Ende alles klar geworden war, war ich davon überzeugt, dass sie mich festnehmen würden. Doch als dies nicht geschah, bekam ich eine weitere Chance. Die Chance, es jemandem zu erzählen.
Ich habe es versucht. Ich habe getan, was Kyle mir geraten hat, ich habe mich an die Presse gewandt, an die Medien. Natürlich anonym, mit neuem Handy und Prepaidkarte, E-Mails nur von unterschiedlichen öffentlichen Computern aus. Die Journalisten gaben sich abwartend, versprachen, sich wieder zu melden. Die Zeit schleppte sich weiter dahin. Ich musste schlieÃlich tagsüber im Büro sein, damit keiner Verdacht schöpfte. Deswegen hatte ich viel zu wenig Zeit. SchlieÃlich kamen die Antworten. Sie ähnelten einander in erstaunlicher Weise. New York Times und CNN fragten im Chor: »Haben Sie Beweise? Wenn Sie uns Beweise geben können, drucken wir Ihre Story gerne ab.«
Ich habe versucht, ihnen zu erklären, dass ich nicht an Beweise herankommen konnte, dass dafür polizeiliche Ermittlungen nötig wären. »Dann wenden Sie sich doch an die Polizei«, sagten sie. »Wenn Sie Anzeige erstatten, werden wir das Ganze gerne weiterverfolgen. Aber wir können nicht aufs Geratewohl agieren und damit das Risiko eingehen, selbst eine Anzeige wegen Verleumdung zu kassieren.«
Also bin ich zur Polizei gegangen, aber dort war es dasselbe. Ich hatte keinerlei Beweise auÃer meine eigenen Erinnerungen. Es bedarf aber eines Verdachts, um Beweise zu finden, und ich konnte ihnen noch nicht einmal einen begründeten Verdacht liefern. Ich würde lediglich mein eigenes Todesurteil aussprechen. Es geht immerhin um Menschen, die dieses Konto fast zehn Jahre lang geheim gehalten und dem Zugriff der Steuerbehörde und dem Finanzamt entzogen haben.
Es vergingen ein paar Tage. Ich war kurz davor, die Hoffnung aufzugeben. Ich war nur noch eine einzige Windung von Minotaurus entfernt, hörte bereits sein Brüllen auf der anderen Seite der Wand und war dennoch kurz davor, einen Rückzieher zu machen, das Labyrinth zu verlassen und in die eingefahrenen Spuren zurückzukehren. Als wäre es da noch möglich gewesen.
Da gab es allerdings noch etwas. Twitter. Ich habe mit Kyle darüber geredet. Kann man sich auf Twitter völlig unsichtbar machen? Kann ich die hundertvierzig Zeichen, oder wie viele auch immer zugelassen sind, nutzen, um die Geschichte ganz anonym an die Ãffentlichkeit zu bringen? Könnte mir das gelingen? Kyle suchte nach einem Weg, konnte aber keinen ganz sicheren finden. Also habe ich mich nicht getraut. Wenn sie es herausbekämen und mich identifizierten, würden sie mich umbringen.
Dennoch gibt es kein Zurück mehr. Kyle hat recht, ich kann mich nur an eine einzige Person wenden. An den mächtigsten Mann der Welt. Wenn er das denn tatsächlich ist. Die Zeit läuft langsam ab. Denn schon bald beginnt der G20-Gipfel in London.
Heute habe ich Kyle von der Arbeit aus angerufen. Ich wollte pfiffig sein und habe ein nagelneues Handy mit Prepaidcard benutzt. Von der Damentoilette aus. Ich bat ihn, mir ein Flugticket zu besorgen und sich auf dem Flughafen
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