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Gier

Gier

Titel: Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Computer stand in einem der hinteren Räume, der mit einer gläsernen Front zu der großflächigen Schalterhalle hin versehen war. Bis jetzt hatte ihn noch keiner betreten, aber der Raum war von der Halle aus direkt zugänglich, und man musste keine Sicherheitsschleusen passieren. Das war gut, für den Fall, dass sie schnell zugreifen müssten.
    Chavez stand an einem Tisch und füllte bedächtig ein Überweisungsformular aus. Für einen kurzen Augenblick gestand er sich ein gewisses Erstaunen darüber zu, wie viel in Deutschland noch auf Papier erledigt wurde. Dann ließ er seinen Blick zu Laima Balodis hinüberschweifen, die sich in einer Schlange angestellt hatte. Eine rein physische Schlange, ohne Wartenummern und Zettelchen. Sie machte sich ausgezeichnet als vulgäre osteuropäische Touristin. Ein Sicherheitsbeamter durchquerte die Filiale, um danach wieder an seinen Platz in einem der hinteren Räume zurückzukehren, der ebenfalls ein großes Fenster zur Schalterhalle hin hatte. Dort saßen zwei Sicherheitsbeamte und schauten sich die Filme der Überwachungskameras an. Einer von ihnen machte hin und wieder eine Inspektionsrunde durch die Räume.
    Balodis kam an die Reihe und erledigte irgendein vorgetäuschtes Anliegen. Chavez ließ seinen kritischen Blick über die Kunden in der Bank schweifen; ein älterer Herr mit einem Gehstock, ein amerikanisches Touristenpärchen, einige Geschäftsleute sowie zwei türkische Männer, die mit Münzen in der Hand herumschnickten, vermutlich irgendwelche Geschäftsinhaber. Definitiv kein Minotaurus in Sicht. Balodis verließ die Filiale, und Hamann kam als alternder Dandy herein. Chavez stellte sich in die Schlange, während Hamann seinen Platz am Tisch im Schatten der Kameras übernahm. Zwei weitere Personen betraten die Filiale, beides Frauen. Eine Bankangestellte ging in den Raum mit dem zentralen Computer. Chavez sah, wie sie sich über die Tastatur beugte. Möglicherweise um Vorbereitungen für eine umfassende Transaktion zu treffen. Er behielt sie fest im Blick.
    In der Schlange ging es langsam voran. Ganz vorn stand der ältere Herr mit dem Stock und wollte eine Überweisung auf ein internationales Konto vornehmen, ohne die internationalen Bankcodes zu kennen. Das gab Chavez die Gelegenheit, weiter die Bankangestellte zu beobachten. Sie verließ den Raum mit dem zentralen Computer. Er stand wieder leer.
    Nachdem Chavez sein Formular abgegeben hatte, tauschte er draußen auf der Parkbank seinen Platz mit Lara Drescher. Er nahm ein Buch zur Hand, freilich ohne darin zu lesen. Seine Aufmerksamkeit richtete sich auf den Eingang der Bank. Jetzt betraten noch mehr Menschen das Gebäude. Es ging auf die Mittagszeit zu. Aber keiner hatte auch nur die geringste Ähnlichkeit mit Nathaniel D. Winthrop. Bald waren zwei Stunden vergangen, seit die Nachricht aus Lettland an die Öffentlichkeit gelangt war.
    Chavez ging nach oben in die Wohnung.
    Dort saß Laima Balodis in korrektem Businessdress am Fernglas und gab ihm ein Zeichen, zu warten. Er sank hinter einem der Laptops auf einen Stuhl und warf einen kurzen Blick auf die aktuellen Medienberichte. Die Krise in Lettland weitete sich aus. Das Land befand sich unmittelbar vor einer Inflation.
    Er schloss die Augen und konzentrierte sich auf die Basslinien, die ihm in seinem Leben bisher am meisten bedeutet hatten. Er wurde erfüllt von Musik. Von Leben. Sie versorgte ihn mit neuer Energie, und als er hörte, wie Laima sich geräuschvoll räusperte, öffnete er die Augen mit frischer Kraft.
    Â»Du bist erstaunlich sexy als Geschäftsfrau«, sagte er.
    Sie lachte auf und konterte: »Aber du schindest als südamerikanischer Loser auch ziemlich Eindruck.«
    Jetzt war es an ihm zu lachen. Er fragte: »Wieso sollte ich eigentlich warten?«
    Â»Ich hatte den Eindruck, ihn durchs Fernglas gesehen zu haben«, antwortete Balodis. »Vielleicht war er es. Aber er ging vorbei. Möglicherweise sondiert er das Terrain.«
    Â»Okay«, meinte Chavez.
    Sie setzte sich wieder ans Fernglas.
    Innerhalb der nächsten halben Stunde betraten mindestens zwanzig Personen die Kanalbank in der Oranienburger Straße durch das beeindruckende Eingangsportal. Chavez übernahm das Fernglas und konnte so jedes einzelne Gesicht genau betrachten. Aber es war definitiv kein Minotaurus dabei. Dennoch bestand kein Grund, die Hoffnung

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