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Gier

Gier

Titel: Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Überwachung und Bekämpfung des Terrorismus. Eine Bezeichnung, die nach Kerstin Holms Geschmack etwas zu sehr an das Stockholmsyndrom erinnerte. Mit Sicherheit war eine Zusammenarbeit der europäischen Staaten bei grenzüberschreitenden Verbrechen unabdingbar. Aber darüber hinaus ging es auch um eine erweiterte Zusammenarbeit zwischen der EU und den USA. Durch die Speicherung des digitalen Fingerabdrucks diverser Mitbürger sollte eine Überwachung effektiver gestaltet werden. Außerdem sollten während des EU-Gipfeltreffens in Stockholm im Dezember gesetzliche Hindernisse für Überwachung, Abhörverfahren und Analysen aus dem Weg geräumt werden.
    Veränderungen, dachte sie. Der Organismus reagiert abwehrend darauf, aber die Seele? Wollte sie diese Veränderungen wirklich? War es tatsächlich das einzige Gegenmittel für die immer cleverer und rücksichtsloser werdende zunehmend grenzüberschreitende Kriminalität?
    In seiner Gesamtheit war das Stockholmprogramm gegenüber den RaV-Gesetzen von ungeheurer Dimension.
    Â»RaV-Gesetze« war die allgemeine Bezeichnung für eine Reihe von schwedischen Gesetzesänderungen, die zum vergangenen Jahreswechsel in Kraft getreten waren und die Schaffung des »Gesetzes über die Personenfahndung innerhalb des Nachrichtendienstes der Verteidigung« möglich gemacht hatten. Das bedeutete unter anderem, dass die Radioanstalt der Verteidigung, eben die RaV, künftig das Recht hatte, im Radio- und Kabelverkehr zu fahnden, also über Internet- und Telefonleitungen mithilfe von Suchbegriffen, zum Beispiel Organisationsnamen oder Codewörtern. Solche Begriffe konnten beispielsweise Wörter wie »Kinderpornografie« sein.
    Da die RaV jedoch nicht vor dem 1. Oktober Zugang zu den Netzen der Telefonanbieter erhalten würde, kam die Entscheidung, die in Den Haag getroffen und auch Auswirkungen auf die Arbeit in Stockholm haben würde, etwas unerwartet.
    Es war am Freitagmorgen. Kerstin Holm hatte gerade völlig durchnässt und mit zerstörter Frisur ihr Büro betreten und war in Gedanken noch bei dem Aprilwetter. Ihre Überlegungen mischten sich in einer komplizierten Weise mit den in letzter Zeit häufiger auftretenden Zweifeln daran, ob sie beruflich wirklich den richtigen Weg gewählt hatte. Immerhin hatte sie einen bedeutend höheren und besser bezahlten Posten als hochrangige Beamtin beim sogenannten Operativen Rat der Reichskriminalpolizei quittiert. Der Operative Rat war zunehmend mit Kompetenzen ausgestattet worden, um die schwedischen Polizeikräfte effektiv zu bündeln und den Kampf gegen die organisierte Kriminalität zu strukturieren.
    Kerstin Holm war unter anderem dafür verantwortlich gewesen, sogenannte Aktionsgruppen zusammenzustellen, die jeweils einen zeitlich begrenzten Einsatz gegen eine bestimmte Form des Verbrechens durchführten. Während ihrer Amtszeit waren die Gruppen unter anderem gegen Cannabisschmuggel, bei Raubüberfällen auf Geldtransporter und bei der Verhaftung von hundert Schwerverbrechern, die zu den kriminellsten Schlüsselfiguren des Landes gehörten, aktiv gewesen.
    Im Hinblick auf die Zusammenstellung der Aktionsgruppen gab es für Kerstin Holm eine außergewöhnliche Vorlage. In der Vergangenheit hatte sich die Polizeibehörde nämlich eine »Sondereinheit für Gewaltverbrechen von internationalem Charakter bei der Reichskriminalpolizei« leisten können. Diese legendäre A-Gruppe war ihrer Zeit weit voraus gewesen und gab nun den Prototyp für die neu ins Leben gerufenen, zeitlich begrenzten Aktionsgruppen ab, die immer in Gefahr waren, aufgelöst zu werden, sobald sie ernsthaft zu funktionieren begannen. Diese Arbeit war sowohl befriedigend als auch frustrierend gewesen.
    Wie so vieles andere bei der Polizei auch.
    Vor allem aber hatte es Kerstin Holm frustriert, nicht aktiv teilnehmen zu können, sondern immer eine gewisse Distanz sowohl zu der Geduld erfordernden Detektivarbeit als auch zu den Kriminellen zu haben. Nie konnte sie das einzigartige Gefühl miterleben, das aufkommt, wenn die Wahrheit sachte, aber unerbittlich ans Tageslicht dringt.
    Eines Tages hatte sie ihre ehemaligen Kollegen aus der aufgelösten A-Gruppe wiedergetroffen, und das Wiedersehen führte dazu, dass die Mitglieder dieser ehemaligen Sondereinheit schließlich dem Reichspolizeichef gegenüberstanden. Der ihnen ein neues

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