Gier
er mit dem Oberschenkel gegen eine Trage stieÃ, lieà er das Handy in die Hosentasche gleiten und nahm stattdessen die Polizeifotos aus dem Kuvert. Die Nahaufnahmen von dem demolierten Gesicht überblätterte er rasch â davon würde er bald noch mehr als genug zu sehen bekommen â und zog stattdessen ein Bild hervor, das aus einer seitlichen Perspektive während der Bergung der Leiche aufgenommen worden war. Der Anblick der am Baumstamm klebenden Haare, die abgerissen worden waren, als das Personal der Rechtsmedizin die Leiche bewegt hatte, ergriff ihn dermaÃen, dass er mit dem anderen Oberschenkel gegen eine weitere Trage stieÃ. Stolz darauf, keinen Fluch ausgestoÃen zu haben, erreichte Dryden die richtige Tür.
Entweder hat Fitzherbert Dienst oder Mallory, dachte er, öffnete die Tür und hoffte auf Ersteren. Er hatte gewisse Schwierigkeiten, mit Mallory zu kommunizieren.
»Ralphie.« Doktor Hazel Mallory stand hinter der kreideweiÃen Leiche und nickte ihm zu, während sie sich ein Paar Latexhandschuhe abstreifte.
Vermutlich hatten seine Probleme mit ihr damit zu tun, dass sie ihn immer Ralphie nannte. Doch im Moment war er nicht einmal in der Lage, sich darüber aufzuregen.
Die Leiche lag auf dem Rücken, den Kopf sichtlich entspannt gegen die linke Hand gelehnt.
»Was ist das denn?«, entfuhr es Dryden, während er mit dem Finger darauf zeigte. »Rigor mortis?«
»Gewiss«, antwortete Mallory und berührte die Hand der Leiche. »Aber vor allem Klebstoff.«
Als sie an der Hand zog, sah er, wie fest die unteren Fingergelenke an der aufgequollenen Wange klebten.
»Wie die Haare auch.« Dryden nickte.
»Wie die Haare, die Oberschenkel und die andere Hand auch. Das Laken war an den Oberschenkeln und am rechten Unterarm festgeklebt, und der Hinterkopf klebte, wie du weiÃt, am Baum. Ein extrem starker Klebstoff. Spezialkleber. Er ist bereits zur Analyse geschickt worden, ebenso das Laken und die Haarsträhnen.«
Chief Inspector Ralph Dryden seufzte, klickte das Handyfoto des eigenartigen Fräulein Audrey Watts erneut an, das die Metropolitan Police von einem absonderlichen Kauz namens Cuthbert Lanning erhalten hatte, und schüttelte den Kopf.
»Es ist also keine Einbildung«, sagte er finster, »sie werden wirklich immer verrückter.«
»Wir haben es natürlich selbst in der Hand, ob wir als Zyniker enden wollen oder nicht«, entgegnete Hazel Mallory mit einem schwachen Lächeln.
Dryden betrachtete sie. Zum ersten Mal hatte er das Gefühl, den Menschen hinter der Maske wahrzunehmen. Und diese Frau schien in der Tat kein dummer Mensch zu sein. Tatsache war, dass es sich bei Hazel Mallory um eine recht stilvolle, intelligente Frau in den Vierzigern handelte. Und in einem kurzzeitigen Anflug von Einsicht wurde ihm klar, dass er offenbar deswegen gewisse Schwierigkeiten hatte, mir ihr zu kommunizieren.
»Sie sollte offensichtlich um jeden Preis in dieser Position verharren«, meinte er schlieÃlich. »Erinnert dich das an etwas?«
Mallory, die ihre Aufmerksamkeit wieder der Leiche zugewandt hatte, schaute erneut auf und begegnete seinem Blick. »Ich bin schlieÃlich nur Obduzentin ...«
»Aber ...?«
»Aber natürlich schreit es förmlich nach irgendeinem klassischen Kunstwerk.«
Dryden nickte und hielt ihr das Handy hin. Sie betrachtete das Foto eine Weile und sagte dann: »Goldeneyes.«
»Wie bitte?«
»Die Vögel«, antwortete Hazel Mallory.
Dryden spürte, dass ihm heià wurde. Er wartete ab, bis das Gefühl verflog, und fragte dann in einem etwas formelleren Ton: »Also, was kannst du über sie berichten?«
»Wie es scheint, war sie eine kerngesunde, durchtrainierte Frau um die fünfunddreiÃig, hellhäutig, mittelblond, einen Meter zweiundsiebzig groÃ, achtundfünfzig Kilo schwer, keine besonderen körperlichen Merkmale.«
»Und die Todesursache?«
»Ich war fast fertig mit der äuÃerlichen Untersuchung, als du kamst, und wie du siehst, habe ich sie bisher noch nicht obduziert. Es liegt also noch keine endgültige Todesursache vor. Viel deutet jedoch darauf hin, dass sie schlicht und einfach erschlagen wurde. Die Verletzungen im Gesicht sind offensichtlich umfassend. Jemand hat mit einem Gegenstand ohne scharfe Kanten auf sie eingeprügelt, denn es sind keine äuÃeren Blutungen zu
Weitere Kostenlose Bücher