Gier
ins Schlingern geriet. »Und ich dachte, alles wäre perfekt gelaufen. Du warst glänzend als Unschuld. Und wir haben Stiernmarck genau dort hinbekommen, wo wir ihn haben wollten, ohne zu viel zu verraten. Beim nächsten Mal nehmen wir uns seinen Computer vor und gucken nach, was er gelöscht hat.«
»Sein Sohn hat mitgehört«, erklärte Sara, den Blick immer noch aus dem Fenster gerichtet.
Kerstin Holm verzog das Gesicht zu einer flüchtigen, aber intensiven Grimasse. »Oh«, meinte sie nur.
Sie fuhren schweigend bis zum Rondell bei Hammarby, dann nahmen sie den Faden wieder auf. Sara sagte: »Er hat gehört, wie wir seinen Vater beschuldigt haben, Kinderpornografie anzusehen.«
»Was wir gar nicht getan haben.«
»Das spielt keine Rolle. So hat Johannes es jedenfalls aufgefasst. Ich habe versucht, es ein wenig abzumildern, aber er hat es ziemlich gut auf den Punkt gebracht.«
Kerstin bog auf den Värmdöväg ein und lenkte das Hybridauto über die Ampelkreuzung an der Abfahrt nach Kvarnholmen. Dann musste sie eine Vollbremsung hinlegen. Die Autoschlange vor ihnen stand vollkommen still. Sie sahen, wie sich die Fahrbahn vor ihnen unter beunruhigend lautem Kreischen anhob.
Als die Danviksbro vollkommen aufrecht in den Himmel ragte, seufzte Kerstin laut und fragte: »Und wie hat er es auf den Punkt gebracht?«
»Bullengespräch«, antwortete Sara Svenhagen und starrte auf die in der Luft schwebende Fahrbahn.
Politik
Den Haag, 6. April
Auf der anderen Seite der Glasscheibe herrschte eine Aktivität, die man zwar nicht gerade als fieberhaft bezeichnen konnte, die aber in jedem Fall ein zielgerichtetes neues Bewegungsmuster hatte. Das innerhalb des letzten Monats immer träger gewordene Hin- und Herschieben von Stiften war von hochkonzentrierter, energiegeladener Computerarbeit abgelöst worden, die Paul Hjelm schon auÃerordentlich lange nicht mehr gesehen hatte. Und die alle Sprachgrenzen überwand â es schien, als hätte die Gruppe auch dieses Problem endlich hinter sich gelassen.
Eine offene Bürolandschaft hatte ihre Vorteile, vor allem wenn er selbst nicht dort sitzen musste. Während seiner Jahre als interner Ermittler und Sicherheitspolizist hatte Paul Hjelm ein absolutes Bedürfnis nach privater Arbeitsruhe entwickelt, dem er dort drauÃen niemals hätte Rechnung tragen können. In seinem abgetrennten Büro hingegen, in dem Büro, das innerhalb des Europol-Gebäudes so günstig gelegen war, dass er einen vollständigen Ãberblick über seine Mitarbeiter hatte, hier fand er diese Ruhe. Wenn er diese Arbeitsruhe nur in etwas anderes als rein administrative Fragen hätte investieren können.
Doch jetzt gab es da etwas. Und vielleicht sah so die moderne Polizeiarbeit aus. Eine geschäftige, aber dennoch einsame Arbeit innerhalb einer Gemeinschaft. Eine neue Art von Gruppe im neuen Jahrzehnt im Dienste einer neuen Form von Polizeigewalt.
Während der Direktor hinter seinem Rücken auf eine Antwort wartete, meinte Paul Hjelm erkennen zu können, wie sich dieser Gedanke durch das präzise ausgeformte Kollektiv bewegte.
Am dichtesten an der Tür saà die konzentriert arbeitende knapp dreiÃigjährige Französin Corine Bouhaddi, die so dunkelhäutig war, dass ihre algerischen Wurzeln eher auf eine Berberlinie als auf eine arabische zurückzugehen schienen. Sie saà versunken in die Lettlandthematik, den Zustand des baltischen Staates, und befasste sich mit diversen potenziellen Verbindungen zwischen einem Möbelunternehmer in Stockholm, einem einflussreichen Mafiazweig in Süditalien und einer unbekannten Komponente in Lettland. Und er konnte beobachten, wie sie langsam ein gewisser Zorn erfasste, der Zorn, für den er sie angestellt hatte, der heilige Zorn. Er sah, wie ihr nach und nach die Zusammenhänge aufgingen, wie es möglich war, dass eine EU-Mitgliedschaft und sogenannte ökonomische Reformen ein ganzes Land an den Rand einer Insolvenz treiben konnten, mit welcher Logik die groÃen Verbrechen die kleinen gebaren und die kleinen die groÃen widerspiegelten. Das war gut so. Genau dort wollte er sie haben.
Neben Bouhaddi saà der untadelige Spanier Felipe Navarro aus Madrid und analysierte mit raschen, hektischen Augenbewegungen eine Statistik auf seinem Bildschirm. Seine Erfahrungen im Kampf gegen die weitverbreitete Paxis der
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