Gier
Chavez schlieÃlich mit Wärme in der Stimme.
»Wie nüchtern du plötzlich klingst«, entgegnete Jon Anderson, während er bereits ein Stück weit ins Polizeigebäude gelaufen war. Er bog in die kleine Enklave von Europol ein und begegnete Kerstin Holm und Sara Svenhagen im Korridor. Sie standen dort und stieÃen mit einem Getränk in weiÃen Pappbechern an, das Champagner sein mochte.
»JohannesHundWalle«, sagte Holm und prostete Anderson mit ihrem Becher zu. In der anderen Hand hielt sie ein Plastiktütchen mit einem kleinen Verschlüsselungsgerät.
Jon Anderson hielt nicht einmal an. Er schnappte sich die Plastiktüte im Vorbeigehen, reichte Sara das Handy wie eine Art Pfand und stürzte in sein Büro. Innerhalb kürzester Zeit fuhr er seinen Computer hoch, und als Holm und Svenhagen ihm nachkamen, hatte er bereits das kleine Verschlüsselungsgerät in die Buchse für den USB-Stick gesteckt und das Passwortfeld geöffnet.
»Das Passwort lautet JohannesHundWalle«, wiederholte Kerstin Holm, »groÃes J, groÃes H, groÃes W, zwei l. Keine Leerzeichen.«
»Stiernmarcks Sohn Johannes hat offenbar im Alter von drei Jahren mal einen Hund besessen, der Walle hieë, erklärte Sara Svenhagen. »Das war wohl das letzte Mal, dass der Herr Fabrikant näheren Kontakt zu seinem Sohn hatte.«
»Hej, Schatz«, sagte das Handy in ihrer Hand. »Wer hat einen Hund besessen?«
»Lange Geschichte«, antwortete Sara Svenhagen. »Macht Ihr gerade Party?«
»Partymachen ist wohl zu viel gesagt. Wie läuftâs bei Jon?«
»Bin reingekommen!«, rief Jon Anderson aus. »Es funktioniert.«
»Wirf Jon doch mal das Handy rüber, Darling«, forderte Chavez Sara Svenhagen auf.
Sie reichte Jon Anderson das Handy.
»Und was haben wir?«, fragte Chavez.
»Alle Mails sind lesbar«, antwortete Anderson. »Sie sind auf Englisch verfasst, nicht überraschend. Sie sind nicht gerade lang, aber zu lang, als dass ich sie jetzt alle laut vorlesen könnte. Hast du Mail-Empfang?«
»Na klar«, antwortete Chavez und lehnte sich auf seiner Sitzbank im Café-Restaurant Rootz an der Kreuzung Raamstraat und Grote Marktstraat zurück. Eine groÃe Anzahl von Gesichtern mit mehr oder weniger rosigem Teint sah ihn gespannt an. Sein iPhone gab ein Klingelzeichen von sich, woraufhin er es mit einer raschen Bewegung den vielen danach greifenden Fingern entzog.
»Teufel noch mal, du kleine Krabbe«, rief Fabio Tebaldi.
»Na, na«, beschwichtigte Chavez ihn. »Erst rufen wir ihn an, oder?«
Tebaldi fuchtelte mit den Armen, schien jedoch zu begreifen. Chavez gab eine Nummer ein und betrachtete währenddessen die Reste seines Haring.
»Paul«, rief er in das Gerät. »Der Code ist geknackt.«
»Das ist ja ein Ding«, entgegnete Paul Hjelm. »Dann arbeiten also nicht nur wir so spät noch?«
»Ich wünschte, wir könnten uns die Ehre zuschreiben. Aber Ehre, wem Ehre gebührt.«
»Eure verdammten Frauen«, hörte Hjelm Tebaldi im Hintergrund brüllen.
»Hast du Mail-Empfang?«, fragte Chavez.
»Wie besoffen bist du eigentlich? Ich sitze verdammt noch mal am Computer, du Holzkopf.«
»Ich schicke sie ab«, rief Chavez.
Das Letzte, was Hjelm hörte, bevor er das Gespräch wegklickte, war folgender Wortwechsel:
»Nun, meine Lieben, werde ich euch was vorlesen«, brüllte Chavez.
»Ist das wirklich angebracht?«, wandte Angelos Sifakis mit leiser Stimme ein.
Paul Hjelm sah sich im Arbeitszimmer um. Corine Bouhaddi saà an ihrem Schreibtisch und klickte frenetisch mit ihrer Maus â er sah eine Bildabfolge mit übel zugerichteten Gesichtern auf ihrem Bildschirm und spürte, wie ihr heiliger Zorn den Raum erfüllte.
Gegen das Panoramafenster peitschte ein dauerhafter Abendregen, der jegliche Aussicht trübte. Sie hatten diesen Raum in den vergangenen Tagen kaum verlassen, und es war fraglich, ob sie heute Abend überhaupt noch dazu kämen.
Von Hjelms Computer ertönte ein kurzes Signal. Als er gerade anfangen wollte, die Konversation Carl-Henric Stiernmarcks mit der italienischen Mafia zu lesen, klingelte sein Handy. Er seufzte tief und antwortete: »Ja, Ralph ...?«
»Ich sollte mich wieder melden, wenn ich vor Ort bin. Hershey und ich laufen gerade den Korridor zu Chief Superintendent Anthony L.
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