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Gift

Gift

Titel: Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gordon
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    Samuel aß Salat und dazu mehrere Stück Brot.
    »Hots«, erklärte ihm Lucines Mutter und
nahm ebenfalls ein Stück aus dem Korb.
    Als sie merkte, dass Samuel fasziniert auf eine Schüssel mit
Suppe starrte, fügte sie rasch hinzu: » Spas .«
    »Was ist das für eine Suppe?«, fragte Samuel, der von ihrer
dunkelroten Farbe fasziniert war.
    » Borsch «, antwortete
Sasiska.
    Das Wort kam Samuel bekannt vor. Offensichtlich hatten es die
Armenier vom russischen Borschtsch entlehnt.
    In diesem Moment kam Lucine zurück. »Wie ich sehe, habt ihr
schon angefangen. Sie haben vermutlich bereits gemerkt, Samuel, dass
Essen für uns Armenier eine wichtige Rolle spielt, aber ich warne Sie:
Was Sie hier vor sich sehen, sind nur die Vorspeisen. Lassen Sie also
noch etwas Platz für den Hauptgang. Weil der Salat und die Suppe die
ganze Zeit auf dem Tisch stehenbleiben, lassen sich die meisten Gäste,
die nicht mit unseren Essgewohnheiten vertraut sind, häufig dazu
verleiten, sich bei den Vorspeisen zu übernehmen – vor allem
wenn sie sehen, wie viel Brot ihre Gastgeber essen. Wir mögen hots nämlich sehr gern.«
    »Mir liegt noch eine Frage am Herzen«, sagte Samuel. »Hätten
Sie etwas dagegen, wenn ich Janak berichte, dass ich Sie gefunden habe?«
    Lucine errötete. »Am liebsten wäre mir, wenn Sie Janak nur
erzählen, dass Sie mich gefunden haben, und ihm meine Adresse geben,
mehr nicht. Dafür habe ich meine Gründe. Ich wollte lange überhaupt
nichts mehr von ihm wissen, und deshalb möchte ich jetzt nichts
überstürzen. Bevor ich wieder Kontakt mit ihm aufnehme, muss ich mir
erst klar darüber werden, ob ich das auch wirklich will.«
    »Sie haben mir – und damit auch Janak – sehr
geholfen, Lucine. Und glauben Sie mir, ich bin jemand, der zu seinem
Wort steht. Ich werde selbstverständlich das tun, was Sie von mir
verlangen. Allerdings würde ich ihm gern erzählen, was Ihre Mutter für
mich herausgefunden hat.«
    »Das kann ich verstehen. Vielleicht werde ich Ihnen eines
Tages meine Gründe erklären.«
    »Nein, nein, Sie sind mir gegenüber zu keinerlei Erklärungen
verpflichtet, Lucine«, erwiderte Samuel verständnisvoll. Er tupfte sich
mit der weißen Serviette die Lippen und nahm einen Schluck Wein. »Mich
beschäftigt jedoch immer noch dieser Kurde. Es muss doch möglich sein,
etwas über ihn herauszufinden.«
    »Meine Mutter konnte nichts über ihn in Erfahrung bringen«,
sagte Lucine. »Aber vielleicht kann ich Ihnen weiterhelfen. Jedenfalls
habe ich schon ein paar Ideen, wie sich das anstellen ließe. Für die
Bank habe ich schon einige Leute aufspüren müssen. Wenn Sie mir etwas
Zeit geben, damit ich mich mit meinen Quellen in Verbindung setzen
kann, gelingt es uns vielleicht doch noch, etwas über diesen Mann
herauszubekommen.«
    Währenddessen hatte Sasiska den Hauptgang aufgetragen, und zu
dritt stießen sie auf den köstlich duftenden Schweinebraten an, der mit
gebackenen Auberginen, Kartoffeln, Zwiebeln und verschiedenen
Paprikasorten garniert war.
    »Das ist ein khorovatz «, sagte
Lucine. »Meine Mutter hat das Fleisch schon gestern in einer speziellen
Marinade eingelegt.«
    »Nur gut, dass Sie mich gewarnt haben, dass noch ein zweiter
Gang kommt, sonst wäre ich schon von Brot, Suppe und Salat satt
geworden.« Damit begann Samuel, sich genüsslich über den Schweinebraten
herzumachen, und zwischendurch nahm er immer wieder einen Schluck
Chablis.
    »Ihre Mutter hat einen Hector Somolian erwähnt, der Diener bei
den Hagopians war, als sie noch in Erzurum gelebt haben –
glauben Sie, wir könnten morgen mit ihm sprechen?«
    Lucine beriet sich kurz mit ihrer Mutter und wandte sich dann
wieder Samuel zu. »Wir werden beide mitkommen, weil er nicht besonders
gut Französisch spricht. Wahrscheinlich ist Somolian auch gar nicht
sein richtiger Name. Vermutlich hat er ihn angenommen, um unerkannt zu
bleiben.«
    »Verstehe«, sagte Samuel. »Glauben Sie denn, wir werden ihn
überhaupt zu Hause antreffen?«
    »Auf jeden Fall. Er ist seit seiner Flucht aus Erzurum
Invalide und wohnt mit mehreren Verwandten in einem kleinen Hotelzimmer
in Belleville, das ihnen zugleich als Werkstatt dient. Er und seine
Verwandten stellen dort schon seit Jahren Schuhe her.«
    Nachdem sie beschlossen hatten, sich am nächsten Morgen um
zehn Uhr zu treffen, stand Samuel auf, um sich zu verabschieden, doch
Lucine hielt ihn zurück: Er müsse erst noch die tarte ihrer Mutter probieren. »Die Torten meiner Mutter sind

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