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Gift

Gift

Titel: Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gordon
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Janaks. Ich weiß, dass
er ständig an Sie denkt, und es bedrückt ihn sehr, dass der Kontakt zu
Ihnen abgerissen ist.«
    Lucine straffte sich in den Schultern, kniff erneut die Augen
zusammen und errötete noch mehr. Samuel fürchtete, sie würde ihm jeden
Moment wutentbrannt die Tür vor der Nase zuknallen, aber anscheinend
rang sie nach Worten. »Janak hat mich damals einfach sitzenlassen, Mr.
Hamilton. Deshalb kann ich eigentlich nicht glauben, dass er sich
überhaupt noch an mich erinnert.«
    »Ganz im Gegenteil, Mademoiselle. Er möchte Sie unbedingt
wiedersehen«, log Samuel. »Er hat mir erzählt, er hätte Ihnen
wiederholt geschrieben, aber nie eine Antwort von Ihnen erhalten.«
    »Ja, ich weiß genau, wie viele Briefe er mir geschrieben hat,
Mr. Hamilton.« Lucine, die allmählich ihre Fassung wiedergewann,
wischte ihre Hände an der Schürze ab, die sie trug, und öffnete die
Tür. »Nun treten Sie schon ein, und entschuldigen Sie, dass ich Sie
einfach so vor der Tür habe stehen lassen.«
    Sie führte Samuel in ein schlichtes, aber helles und
freundliches Wohnzimmer. Durch das Fenster konnte man die kahlen Äste
eines Baumes sehen. Die Luft war erfüllt vom schwachen Duft exotischer
Gewürze, und die Einrichtung mutete Samuel orientalisch an. Aus welcher
Region genau die Möbel allerdings stammten, konnte er nicht sagen. Ein
bronzenes Kohlebecken in der Mitte des Zimmers, das als Couchtisch
diente, war umgeben von niedrigen Stühlen und bunten Seidenkissen. An
den Wänden hingen mehrere Wandteppiche, die sehr kostbar sein mussten,
wenn sie so alt waren, wie sie aussahen.
    »Janak hat mir erzählt, Sie arbeiten in einer Bank«, log
Samuel erneut, um das Eis zu brechen.
    »Ja, das ist richtig.«
    Einen Moment lang wusste Samuel nicht weiter. Er überlegte
fieberhaft, was ihm Blanche sonst noch über die Frau erzählt hatte, in
deren Wohnung er sich gerade befand. Zum Glück war Lucine mittlerweile
merklich aufgetaut. Sie hatte ihn zu einem alten, mit grobem farbigem
Leinen bezogenen Sofa mit zwei selbstgemachten Kissen geführt und sich
neben ihn gesetzt. Zu seiner Erleichterung bot sie ihm nicht einen der
niedrigen Sitze an, auf denen seine Knie auf gleicher Höhe wie seine
Ohren gewesen wären.
    »Warum sind Sie nun eigentlich nach Paris gekommen, Mr.
Hamilton?«, fragte sie und sah Samuel dabei forschend an. »Doch sicher
nicht nur, um mir etwas von Janak zu bestellen?«
    »Ich bin vor allem hier, um in seinem Auftrag einige
Nachforschungen anzustellen.« Und dann erzählte er ihr von dem Mord an
Hagopian und seinen Verbindungen zu Frankreich.
    »Sie tun Ihrem Freund damit einen großen Gefallen. Was hat Sie
dazu veranlasst?« Sie strich den Stoff ihres dunklen Rocks glatt und
sah Samuel aufmerksam an.
    »Eine berechtigte Frage«, sagte Samuel. »In erster Linie geht
es natürlich darum, diese Mexikaner vor der Gaskammer zu retten, aber
ich muss zugeben, dass ich als Gegenleistung für meine Hilfe die
Exklusivrechte für die Story bekomme.«
    »Wussten Sie, dass ich Armenierin bin?«
    »Ja, das hat mir Janak erzählt. Aber wieso ist Ihr Nachname
dann Clark?«
    »Weil mein Vater Engländer war. Das ist auch der Grund,
weshalb ich einigermaßen gut Englisch spreche. Da er allerdings auch
fließend Französisch sprach, musste meine Mutter nie Englisch lernen.
Leider ist er schon tot.«
    »Ihr Englisch ist ganz hervorragend«, sagte Samuel. »Das
erleichtert mir die Sache enorm, dennwie Sie
sicher schon bemerkt haben, lässt mein Französisch einiges zu wünschen
übrig.«
    Samuel gewann den Eindruck, dass Lucine offensichtlich mehr
über Janak hören wollte. Deshalb erklärte er ihr, dass Janak
normalerweise nur zivilrechtliche Fälle übernahm, in denen Personen, diedurch Chemikalien Schädigungen erlitten hatten,
Schadenersatzforderungen stellten.
    »Aber warum hat er dann diesen Fall übernommen, obwohl er gar
kein Strafverteidiger ist?«
    »Weil er die Angeklagten bereits in einem Zivilverfahren
vertritt, das diese gegen den Ermordeten angestrengt haben. Janak und
ich sind der festen Überzeugung, dass diese Männer unschuldig sind.
Außerdem sind sie so arm, dass sie sich keinen anderen Anwalt leisten
könnten.«
    »Janak vertritt sie kostenlos?«
    »Er arbeitet auf Provisionsbasis. Das heißt, er erhält einen
Anteil der Schadenersatzsumme, die er im Zivilprozess für sie
erstreitet.«
    »Und was bekommt er für den Strafprozess?«
    »Weil die Mexikaner kein Geld haben, fanden sie keinen Anwalt,
der

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