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Gift

Gift

Titel: Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gordon
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Neonlampe angebracht war. Janak krampfte sich der Magen
zusammen, und Lucine begann am ganzen Körper zu zittern.
    Sie warten draußen, Monsieur. Das geht nur uns Frauen
etwas an, sagte die Engelmacherin und schlug Janak die Tür
vor der Nase zu.
    Lucine musste sich ausziehen und in den weißen Kittel
schlüpfen, den die Frau ihr reichte. Als sie sich auf den Tisch legte,
bekreuzigte sie sich und murmelte: Möge Gott mir vergeben.
    Du darfst das nicht so tragisch nehmen, Mädchen, redete
die Frau beruhigend auf sie ein. Du tust das einzig Richtige,
und du wirst nichts von der ganzen Sache mitbekommen.
    Dann wusch sie sich die Hände, gab Lucine eine Spritze und
forderte sie auf, zu zählen.
    Das Nächste, woran sich Lucine erinnerte, war, dass Janak ihr
von dem Tisch half. Sie fühlte sich so benommen, dass er ihr beim
Anziehen helfen musste.
    Wie spät ist es?, fragte sie.
    Viertel nach neun, sagte Janak.
    Morgens oder abends?
    Morgens, wir sind eben erst hergekommen. Die
Engelmacherin räusperte sich und gab Lucine eine Packung mit
Monatsbinden und ein Antibiotikum. Wenn die Blutungen in den
nächsten zwei Tagen nicht aufhören, gehst du zum Arzt. Und nimm das
Antibiotikum zweimal am Tag, fang aber erst heute Abend damit an. Du
hast mit der Spritze bereits eine erste Dosis erhalten, die bis zum
Abend vorhalten musste. Schone dich ein paar Tage, und sechs Wochen
keinen Sex. Und glaub mir, chérie ,
bald hast du alles vergessen. Adieu et bonne chance .
    Merci, Madame, brachte Lucine gerade noch
hervor. Ihr wurde übel von dem Rauch der Gauloise, die sich die Frau
anzündete.
    Janak brachte sie nach Hause, und das war das letzte Mal, dass
sie ihn sah.
    Am Tag nach dem Abendessen mit Lucine und
Sasiska holte Samuel die beiden Frauen in ihrer Wohnung ab und ging mit
ihnen zur Metro. Sasiska trug ein hellgrünes Seidenkleid und ein weißes
Kopftuch. Lucine hatte Ringe unter den Augen, als ob sie eine
schlaflose Nacht hinter sich hätte. Samuel hielt es jedoch für besser,
sie nicht nach dem Grund zu fragen.
    Sie stiegen die Treppe der Metro-Station hinunter, und Janak
löste drei Fahrkarten nach Belleville. Sie reihten sich indie
Schlange an der Sperre ein, und der Poinçonneur entwertete ihre
Fahrkarten. Auf einem Streckenplan zeigte ihnen Lucine, wo sie
umsteigen mussten, um nach Belleville zu kommen, Sie folgten dem Schild
zur Porte de Mairie de Montreuil.
    Als die Metro einfuhr, stiegen sie in einen hölzernen Waggon
mit riesigen Gummireifen und setzten sich.
    »Sie machen heute Morgen keinen sehr glücklichen Eindruck«,
sagte Samuel zu Lucine.
    »Ihr Besuch hat viele Erinnerungen in mir geweckt.«
    »An Janak?«
    »An die Zeit, die wir miteinander verbracht haben. Sie war
keineswegs nur unerfreulich, müssen Sie wissen … aber darüber
möchte ich lieber nicht sprechen.«
    Sie kamen in der Station République an und stiegen in die
Linie 11 um, und kurz darauf fuhr die U-Bahn in die Station Jourdain
mit ihren charakteristischen Fliesenmustern ein. Bereits als sie die
Treppe zur Rue de Belleville hinaufstiegen, fiel Samuel auf, wie viele
Menschen es hier gab, die nicht wie typische Franzosen aussahen.
    »Woher kommen all diese Leute?«, fragte er erstaunt.
    Lucine lachte. »Aus aller Welt. In diesem Viertel leben neben
Griechen, Polen und Juden viele Armenier.«
    »Auch Türken?«
    »In Belleville nicht. Es ist hier gefährlich für sie, und das
nicht nur wegen der Armenier. Wie Sie sicher wissen, haben sie auch mit
den Griechen Probleme.«
    »Was ist das dort drüben?« Samuel deutete auf die andere
Straßenseite.
    »Das ist die shuka «, antwortete
Lucine.
    Auf dem Gehsteig waren zahlreiche kleine Verkaufsstände zu
sehen, die die Außenseite eines großen Marktes bildeten. Selbst im
Winter konnte man alle nur erdenklichen Sorten von frischem Obst und
Gemüse kaufen. Weiter im Innern des Marktes gab es neben vereinzelten
Kebab-Buden zahlreiche Stände, an denen man Fleisch und Haushaltswaren
kaufen konnte. »Woher kommen diese ganzen Lebensmittel?«, fragte Samuel.
    »Von Bauernhöfen aus der Pariser Umgebung oder direkt aus den
Heimatländern der Menschen, die in diesem Viertel wohnen. Sie werden
per Lkw, Bahn, Schiff und zum Teil sogar auf dem Luftweg hierher
transportiert. Die Leute sind gern bereit, etwas mehr zu bezahlen, um
Produkte aus ihrer Heimat zu bekommen.«
    »Was wird im hinteren Teil des Marktes angeboten?«, fragte
Samuel.
    »Dort können Sie Kleidung, Bettwäsche, Möbel und Gewürze
kaufen –

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