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Gift

Gift

Titel: Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gordon
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sie vertreten wollte. Deshalb hat Janak sich dazu bereit erklärt,
wobei ich, ehrlich gesagt, glaube, dass Geld in diesem Zusammenhang
keine Rolle für ihn spielt.«
    »So ist das also«, sagte Lucine nachdenklich. »Möchten Sie
eine Tasse Tee?«
    »Danke, sehr gern.«
    Lucine verschwand in die Küche und kam wenig später mit einem
großen Tablett zurück. Sie stellte eine Teekanne, zwei Tassen, ein
Milchkännchen, einen Teller mit Mandel- und Honiggebäck und eine Schale
mit Zitronenschnitzen auf den Tisch. Ganz besonders beeindruckten
Samuel jedoch die weißen, am Rand mit einem Blütenmuster bestickten
Leinenservietten, denn er war aus dem Camelot und den chinesischen
Restaurants, in denen er sonst verkehrte, nur Papierservietten gewohnt.
Lucine schenkte Samuel Tee ein und bot ihm ein Stück Gebäck an.
    Daraufhin begann er, ihr von dem Mord in Richmond zu
berichten. »Wie bereits gesagt, war das Opfer ein Armenier, der
Verbindungen nach Paris hatte. Bisher hatte ich mit meinen
Nachforschungen jedoch noch kein Glück.« Er erzählte ihr von dem
Etikett in Hagopians Jackett und von seiner Begegnung mit dem
Geschäftsführer von La Roche et Fils.
    Lucine begann zu lachen. »Die Franzosen sind sehr eigen. Um in
diesem Land etwas aus jemandem herauszubekommen, muss man den
Betreffenden gut kennen. Aber Sie haben Glück, bei mir sind Sie an der
richtigen Adresse.«
    »Wie meinen Sie das, Mademoiselle?«
    »Nennen Sie mich einfach Lucine. Die Familie meiner Mutter
flüchtete wegen des Genozids nach Paris. Sind Sie mit der Geschichte
Armeniens vertraut?«
    »Ja, ich habe eine grobe Vorstellung von den Geschehnissen.«
    Lucine nickte. »Meine Mutter weiß sehr viel über die
armenischen Familien, die nach Paris gekommen sind. Möglicherweise kann
sie Ihnen über die eine oder andere etwas erzählen.«
    Sie schenkte Samuel eine weitere Tasse Tee ein, verließ das
Zimmer und kam mit einer älteren Frau in einem roten Kleid und einer
Schürze zurück, die sie als Sasiska vorstellte. Sie erklärte ihr auf
Französisch, was Samuel wollte.
    »Wie war noch mal der Name der Familie, für die Sie sich
interessieren?«
    »Es geht um Armand Hagopian, seine Schwester Candice und
seinen Cousin Joseph.«
    Sasiska verstand kaum Englisch, doch als sie die Namen hörte,
begann sie, aufgeregt auf Lucine einzureden.
    »Meine Mutter sagt, diese Namen sind ihr bekannt«, übersetzte
Lucine für Samuel.
    »Könnten Sie sie fragen, ob Sie mir Näheres über diese Familie
erzählen kann?«
    Samuel strengte sich zwar sehr an, dem Wortwechsel der beiden
Frauen zu folgen, aber sie sprachen so schnell, dass er kein Wort
verstand.
    »Meine Mutter kennt sie noch aus der Zeit, als ihre Familie
und die Hagopians nach den Massakern in Erzurum auf der Flucht waren.«
    »Stimmt, die Hagopians kommen ursprünglich aus Erzurum«, sagte
Samuel gespannt.
    »Meine Mutter ging mit Armand und seiner Schwester zur Schule,
und auch Joseph war ihr vertraut. Sie wohnten alle im Armenierviertel
von Paris.«
    »Gibt es dieses Viertel noch?« Samuel stand auf und atmete ein
paarmal kräftig durch. Jetzt hätte er dringend eine Zigarette brauchen
können.
    Sasiska redete erneut lange auf Lucine ein. »Ja, es gibt sogar
zwei«, übersetzte Lucine schließlich. »Das Diamantenviertel im neunten
Arrondissement, also in diesem hier, und Belleville im zwanzigsten
Arrondissement. Wie schon aus den Namen hervorgeht, sind die
bessergestellten Familien im Diamantenviertel ansässig, die nicht so
betuchten in Belleville.«
    »Ich nehme mal an, die Hagopians haben im Diamantenviertel
gewohnt.«
    »Natürlich«, sagte Lucine.
    »Würden Sie Ihre Mutter bitte fragen, ob die Hagopians Feinde
hatten?«
    »Soviel sie weiß, nicht. Aber wenn Sie ein wenig Zeit haben,
kann sie sich umhören«, übersetzte Lucine.
    »Ich bin für jede Art von Unterstützung dankbar. Kann sie sich
vorstellen, dass man bei La Roche et Fils, der Herrenschneiderei, etwas
weiß, was uns weiterbringen könnte?«
    »Auch dort wird sie sich erkundigen und Ihnen dann Bescheid
geben. Sie würde Sie gern in zwei Tagen zum Tee einladen.«
    »Merci beaucoup ,
Madame«, sagte Samuel zu Sasiska, um sich sofort wieder an
Lucine zu wenden: »Noch eine Bitte hätte ich. Könnte Ihre Mutter
vielleicht versuchen, etwas über einen Kurden namens Nashwan Asad Aram
in Erfahrung zu bringen?« Samuel konnte sich zwar nicht vorstellen,
dass Sasiska auch ihn kannte, aber einen Versuch war die Sache wert.
    »Hatte dieser Mann etwas

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