Gifthauch
Eindruck erweckte, als sei sie vom Flohmarkt. Ein großer, schäbiger Schreibtisch aus Massivholz, der vor einigen Jahren gestrichen worden zu sein schien, nahm den größten Platz im Büro ein. Obwohl Kastanienbraun als Farbe vorherrschte, waren Ecken und Kanten abgewetzt, sodass Babyblau hindurchschimmerte und darunter Bananengelb. Auf dem Schreibtisch, wahrscheinlich wegen seiner immensen Ausmaße ausgesucht, stand ein großer Laptop mit Breitbildschirm, angeschlossen an ein noch größeres Flachdisplay, der im Augenblick etwas zeigte, das wie die grafische Darstellung einer Feuerwerksraketenexplosion aussah.
Auf der Fensterbank befand sich ein Radiorekorder und spielte den lokalen öffentlichen Sender WDET, der natürlich über den Terroranschlag in der New Center Area berichtete. Sämtliche Wände wurden von Bücherregalen eingenommen – billigen Ausführungen aus Schlackensteinen und grün gestrichenen Holzlatten. Die Bücher waren in jeder erdenklichen Weise angeordnet: Einige standen aufrecht, andere waren waagerecht gestapelt, andere neigten sich zur Seite. Auf jedem Brett stapelten sich Papiere und Ausdrucke in großen Briefumschlägen. Und überall fanden sich gelbe Klebezettel mit Notizen.
»Darf ich Ihre Ausweise sehen?«, fragte Taplin-Smithson und wies auf zwei Sitzgelegenheiten vor ihrem Schreibtisch. Es waren alte, übermäßig aufgeplusterte Sessel, über die verblichene Afghanenteppiche geworfen waren, um die Risse zu verbergen, aus denen die Polsterung herausquoll.
Jill und Derek wiesen sich aus.
Taplin-Smithson blickte Derek an. »Hier steht, Sie haben einen Doktor. Worin?«
»Mikrobiologie und Biochemie.«
»Zwei Doktorgrade?«
»Ich habe über biologische und chemische Kriegführung promoviert«, entgegnete Derek.
»Das erklärt, wieso Sie hier sind. Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Was können Sie uns über John Simmons sagen?«, fragte Jill.
Taplin-Smithson zuckte mit den Schultern. »Kluger Kopf. Netter Kerl. Er ist Arzt mit Interesse am öffentlichen Gesundheitswesen und den Reaktionen der Behörden und der Öffentlichkeit auf Bedrohungen der Gesundheit großen Ausmaßes – Pandemien, Epidemien, Naturkatastrophen. Er arbeitet mit dem Terrorismusforschungszentrum zusammen.«
»Sie auch?«, erkundigte sich Derek.
»Nein. Ich bin Biometrikerin und Epidemiologin. Auf diesem Gebiet habe ich mit John zusammengearbeitet. Ist … war John … dort …?« Sie machte eine Handbewegung zum Radio.
»Ja«, sagte Derek. »Es tut mir leid.«
Taplin-Smithson seufzte und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. »Verdammt. Wer noch?«
»Einundfünfzig weitere Menschen«, antwortete Derek.
»Ich weiß, ich weiß. Aber …«
»John Simmons frühstückte dort normalerweise immer mit denselben Personen, nicht wahr?«, vergewisserte sich Jill.
»Aber ja. Der Frühstücksclub. Na, ein Scherz. Wie in diesem Film aus den Achtzigern mit den Kindern, die nachsitzen mussten, wissen Sie? Jedenfalls treffen sie sich schon ein paar Jahre dort. Sind sie …« Sie hielt inne und schluckte. »Sind sie alle tot?«
»Wir versuchen herauszufinden, wer genau zu der üblichen Gruppe gehörte«, sagte Jill.
»Na, normalerweise waren es zehn. Waren zehn da? Haben Sie die Namen?«
Jill antwortete nicht. Stattdessen fragte sie: »Können Sie uns die Namen der Personen nennen, mit denen er normalerweise dorthin ging?«
Die Professorin lehnte sich in ihrem Sessel zurück, einem abgenutzten stoffbezogenen Schaukelstuhl, der sehr bequem aussah, und trommelte mit den Fingern auf die Schreibtischplatte. »Nun, auf jeden Fall war Brad Beales dabei. Er ist Linguist hier an der Wayne und arbeitet mit dem Terrorismuszentrum zusammen. Melanie Tolliver. Sie arbeitet im Ford Hospital. Genauso Jorge Gomez. Hmh, Bill Harrington ging früher mit, aber das ist jetzt vorbei. Ich wette aber, dass Rebecca noch mitgeht. Ja, da bin ich mir ziemlich sicher. Ich fürchte, die anderen kenne ich nicht, aber wenn Sie mir Namen nennen, kann ich bestimmt bestätigen, dass sie dabei waren.«
Jill überflog die Namensliste. »Sally LeVidic?«
»Ja. Arbeitet im Ford. Forscht an Bluthochdruck.«
»Wei Ling-Wei.«
»Genau. Im selben Labor.«
»Ron Yaught.«
»Hmh. Kenne ich nicht. Augenblick.« Sie tippte auf die Computertastatur, und die Grafik verschwand. Das Telefonverzeichnis der Wayne State University erschien auf dem Bildschirm, und sie gab Ronald Yaught ein. Er wurde in der sprachwissenschaftlichen Fakultät
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