Gifthauch
Augen und Mund weit aufgerissen. Er protestierte nicht, was daran liegen mochte, dass Derek noch immer die Waffe in der Hand hielt.
Nachdem Jill den Wagen auf den Gehsteig gefahren hatte, stieg Derek wieder ein. »Los geht's«, sagte er.
»Ich kann nicht fassen, dass Sie das getan haben«, stellte sie verdattert fest.
»Beeilen Sie sich. Oder glauben Sie, niemand anders fährt über den Bürgersteig – jetzt, wo wir die Leute auf die Idee gebracht haben? Los!«
Mit dem Gedanken, dass sie ihrer Pension und ihren Vergünstigungen auf Wiedersehen sagen konnte, wenn Matt Gray davon erfuhr, fuhr Jill auf dem Bürgersteig des West Grand Boulevard in Richtung Westen. Im Rückspiegel sah sie, dass drei Autos ihnen folgten. Verdammt, dachte sie. Er hatte recht.
12
10.50 Uhr
Kaum hatten sie den West Grand Boulevard hinter sich, konnte Jill den Gehsteig verlassen und auf die Fahrbahn zurückkehren. Sie wich dem dichtesten Verkehr aus und fuhr von der Second Street zur Palmer und Cass, dann nahm sie ordentlich Geschwindigkeit auf, wechselte auf die Warren, ließ das Universitätszentrum hinter sich, bog nach rechts in die Woodward und danach auf die Alexandrine zur Detroiter Universitätsklinik, einem Komplex von etwa fünfzehn Gebäuden, etwa acht Blocks lang und zwei oder drei Blocks breit. Er umfasste das VA Medical Center, die Hutzel Frauenklinik, die Kresge Augenklinik, das Harper Universitätskrankenhaus und das Karmonos Krebsinstitut, dazu Detroit Receiving, das größte Traumazentrum der Stadt.
»Wohin zum Teufel fahren wir?«, fragte Derek, der sich am dünnen Türgriff festhielt.
Jill brauste die Rampe zu einem Parkhaus hinauf. »Ich weiß, wohin wir müssen. Folgen Sie mir gleich einfach.«
Kurz darauf parkte sie den Wagen und führte Derek dann eine Treppe hinauf zu einem Laufsteg, der direkt ins University Health Center führte. Resolut schritt sie voran.
»Waren Sie schon mal hier?«, fragte Derek, der sich beeilen musste, um mit ihr Schritt zu halten.
»Ja, von Zeit zu Zeit. Eine Schwäche von uns FBI-Leuten besteht darin, dass wir die Städte, in denen wir arbeiten, nicht immer so gut kennen wie die örtlichen Polizisten. Ich habe versucht, mich mit dem Gebiet vertraut zu machen. Ich komme nämlich nicht aus Michigan.«
»Woher sind Sie denn?«
»Von hier und da«, erwiderte sie ausweichend und konzentrierte sich auf den Weg.
Derek war sich nicht sicher, ob er allein zurück zum Auto gefunden hätte, so oft waren sie abgebogen, seit sie den Honda zurückgelassen hatten.
»Sie sind ganz ordentlich gefahren«, bemerkte Derek, als sie stehen blieben, um Atem zu schöpfen.
»Wenn das alles zu nichts führt«, entgegnete Jill, »kann ich es vielleicht bei NASCAR versuchen, denn beim Bureau arbeiten werde ich dann nicht mehr.«
Sie sahen zahlreiche Krankenhausangestellte in weißen Laborkitteln und etliche Patienten, die herumstanden und warteten. Niemand schenkte Derek und Jill große Aufmerksamkeit, nur ein stämmiger Wachmann behielt sie im Auge, rückte ihnen aber nicht auf den Leib.
»Da«, sagte Jill und deutete auf einen Namen an einem Wegweiser. »Gehen wir.«
»Sie voran. Das ist Ihr Territorium.« Derek passte sich ihrem Schritt an.
Das Studienzentrum Biologische und Chemische Kampfstoffe als Terrorwaffen der Wayne State University befand sich innerhalb des Lehrstuhls für Gesundheitswissenschaften, aber es existierte nicht als physisches Gebilde. Wonach Jill suchte, war jemand – vorzugsweise eine Sekretärin –, die für John Simmons gearbeitet hatte. John Simmons hatte dem Lehrstuhl für Gesundheitswissenschaften angehört, und den hatte sie nun auf dem Wegweiser gefunden. Als sie in der Abteilung eintrafen, erwies sich die Sekretärin als ältere Schwarze mit grau meliertem Haar, das zu einem Knoten zurückgebunden war, und einer Bifokalbrille mit grauem Plastikgestell, die auf einer langen, dünnen Nase hockte. Die Frau trug ein sehr geschäftsmäßig wirkendes marineblaues Kostüm über einer gestreiften Bluse mit bauschigem Kragen, der an der Kehle geschlossen war. Ein Diamant und eine Rubinbrosche schmückten ihr Revers. Als Jill etwas sagen wollte, hob die Frau die Hand und zeigte auf das Radio auf ihrem Schreibtisch.
»Sie sagen gerade was über den Terroranschlag. Eine Sekunde.« Sie reckte sich und stellte den Ton lauter.
»Der Attentäter hat anscheinend Kontakt mit den Medien aufgenommen«, sagte eine tiefe, dunkle Stimme. »Der Terrorist, der sich selbst die
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