Gifthauch
Terrorszenarien, die sie entdeckt hatten.
Calloway kratzte sich am Kopf und seufzte. »Derek, ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Vielleicht hat er Angst bekommen. Vielleicht hat jemand Geld auf das Konto überwiesen. Das Lösegeld gezahlt, wissen Sie.«
»Wer denn?«
Calloway zuckte mit den Schultern. »Da bin ich überfragt.«
Derek sah auf die Tür. »Ich gehe rein.«
»Ich helfe Ihnen in den Anzug. Kommen Sie, wir haben –«
»Scheiß auf den Anzug. Ich gehe so rein.« Derek schlurfte auf die Türen zu.
63
16.15 Uhr
Agent Simona Toreanno saß in John Simmons' Büro. Obwohl das Gebäude und sein Büro vom Bombenräumkommando untersucht worden waren, hatte sie sich auf kein Risiko eingelassen, als sie eintrat. Sie hatte sich von Dr. Webster den Hauptschlüssel geben lassen und ihn gebeten, den Korridor zu kontrollieren. Für jeden Schritt hatte sie alle möglichen Vorkehrungen getroffen, um zu verhindern, dass sie sich im Zentrum einer Explosion oder einer Giftgaswolke wiederfand.
Als nichts geschah, war es reichlich übertrieben erschienen. Webster hatte sie mit einem seltsamen Blick bedacht, aber sie entschuldigte sich nicht für ihre Achtsamkeit. Lieber übervorsichtig als in Fetzen.
Er beobachtete sie, wie sie behutsam Simmons' Büro durchsuchte, dann fragte er sie, ob sie ihn noch benötige. Sie versicherte ihm, dass dies nicht der Fall sei, und sagte, sie würde allein hinausfinden. Er hielt einen Augenblick lang inne; ohne Zweifel fragte er sich, ob er sie allein im Gebäude lassen sollte. Schließlich stimmte er zu und ging.
Mit seinem Aufbruch kehrte Schweigen ein. Ein wenig beunruhigend war es schon, ganz allein in dem Gebäude zu sein. Und in der Luft hing noch immer Rauchgeruch. Toreanno hörte die Geräusche des Lüftungssystems, das Surren der Generatoren, das Flüstern der Computer. Davon abgesehen war kein Laut zu hören.
Sie musterte Simmons' Büro. An zentraler Stelle auf dem Schreibtisch stand ein Foto von Simmons mit einer Frau, die vermutlich Rebecca Harrington war. Sie gaben ein nettes Paar ab. Beide irgendwo über vierzig, fit, in Freizeitkleidung, die Arme umeinander gelegt, lächelnd. Der Hintergrund war ein Sonnenuntergang über einem See – wahrscheinlich dem Michigansee, dem fernen Horizont nach zu schließen. Ein romantischer Ausflug? Sie verspürte einen Stich, als sie daran dachte, dass beide tot waren.
Agent Toreanno fragte sich, ob das Desaster mit der Schlange allein durch diese Affäre ausgelöst worden sei. Ob William Harrington übergeschnappt war und entschieden hatte, seine Ex-Frau und ihren Liebhaber inklusive hunderter Unbeteiligter zu töten. Ihr schauderte, als sie an ihren eigenen geschiedenen Mann dachte. Das eine oder andere Mal hätte sie dem Mistkerl gern eine Kugel durch den Kopf gejagt – aber es natürlich nie wirklich erwogen. Auch er gehörte dem FBI an und arbeitete jetzt in Washington D.C. Seine Affären hatten ihre Ehe zerstört, und ihre Demütigung hätte fast ihre Karriere vernichtet.
Doch in diesem Zweig des Bureaus hatte sie sich hochgearbeitet. Mit Roger Kandling konkurrierte sie auf freundliche Art um die Beförderung. Sie respektierte Roger, obwohl er ebenfalls eher Politiker war, wie Matt Gray. Sie war erheblich vorsichtiger, was die politische Seite anging, und zog es vor, gute, harte Arbeit zu leisten, ihre Pflichten zu erfüllen und jedermanns Freund zu bleiben, ohne sich politischen Schachzügen auszuliefern. Vielleicht war sie einfach eine Idealistin. Sie konzentrierte sich lieber auf ihre Aufgaben als auf ihr persönliches Vorankommen. Sicher, sie wünschte sich Erfolg und hoffte, eines Tages in D.C. zu arbeiten, aber das war nicht ihr eigentliches Ziel. In ihrem Beruf konnte es Menschenleben kosten, wenn man seine Aufmerksamkeit auf die falschen Dinge richtete.
Sie musterte das Büro, nahm die Einzelheiten auf und hoffte, einen Eindruck seines Besitzers zu bekommen. Simmons hatte das Büro sauber gehalten und nicht allzu viel herumliegen lassen. Das Büro wirkte ganz so, als würde darin systematisch gearbeitet. Längs einer Wand waren auf einem Falttisch ordentlich Aktenmappen gestapelt. Auf diesem Tisch standen auch ein Laserdrucker, ein Scanner und Kästen mit CDs. Die Bücherregale waren zweckmäßig und ordentlich bestückt; die Wände und die Regale schmückten Fotos einer Reihe von Personen, von denen viele wie Doktoranden aussahen. Simmons, dachte Toreanno, war ein Mensch gewesen, der Menschen mochte.
Sie
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