Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Giftiges Grün

Giftiges Grün

Titel: Giftiges Grün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elsemarie Maletzke
Vom Netzwerk:
hatte, damit sie ihre Nase hineinstecken konnte. Sie hätte ihn schon wieder umarmen können. Stattdessen drückte sie ihren Mund in das zarte Nest aus Blütenblättern.
    »Eine Rosenküsserin«, sagte er, »ist mir auch noch nicht untergekommen«, und sein Lächeln zeigte ihr, dass beide an das Gleiche dachten. Aber er strich ihr nur mit dem rauen Daumen über die Wange und sie folgte ihm weiter durch eine verfilzte Wiese, in der Johannisbeerbüsche nach Luft rangen, bis der Pfad an der Terrasse über dem Schwimmbecken endete. Da lagen noch die Schieferplatten, heiß von der Sommersonne, über die sie barfuß wie über glühende Kohlen gehüpft war, treppab und mit dem Hintern voraus ins Wasser. Ein rostiges Geländer, eine schiefe Dusche und ein Pavillon mit Zinkdach hielten die Stellung. Sie blickten hinunter.
    »Das Schwimmbecken«, sagte er. »Erinnerst du dich?« Ein betonierter rechteckiger Kasten, überall gleich tief, kleiner als in ihrer Erinnerung. An der schmalen Seite hing eine Leiter ins Leere. Die blaue Farbe schilferte von den Wänden. Aus dem toten Laub am Boden wuchs ein Essigbaum. Ein Tier mit braunem Fell war hineingefallen und weste vor sich hin. Man roch es bis auf die Terrasse.
    Sie wandten sich schnell ab und er führte sie weiter, trat Dornen und Nesseln nieder, bis sie um eine Ziegelmauer bogen und vor einem verfallenen Gewächshaus standen, dem eine Woge von Schlingpflanzen übers Dach schlug. Wie der Bug eines untergehenden Schiffs ragte der hölzerne Giebel daraus hervor. Die Tür war in den Angeln eingerostet und ließ sich nicht bewegen, aber das Glas im Rahmen war zersplittert und so krochen sie zwischen den Scherben auf Händen und Knien hinein. Es war wie im Dschungel. Unter den heilen Scheiben des Dachs standen noch die gemauerten Arbeitstische mit den Anzuchttöpfen, aber dort, wo der Regen eingedrungen war, sprossen Schlingpflanzen und eine fette grüne Staude mit violetten Blüten. Ein gewaltiger Feigenbusch hatte sich Platz verschafft und füllte den hinteren Teil des Gewächshauses. In der Wärme rochen seine Blätter nach Katzenpisse.
    »Verworfnes Unkraut?«, flüsterte Lina. Er erwiderte ihren Kuss, aber er war nicht bei der Sache.
    »Was machen wir hier, Johann?« Er nahm sie um die Taille und setzte sie vor sich auf den Tisch. Nun waren sie auf Augenhöhe.
    »Das war das Gewächshaus«, sagte er, weil er ja mit irgendetwas anfangen musste, warum also nicht mit dem Offensichtlichen. »Und dahinter, wo jetzt alles dicht ist, haben wir Cannabis gepflanzt. Pot war das einzige Illegale und irgendwann wurde es deinem Onkel auch zu brenzlig und wir haben es sein gelassen. Was wir hier drin hatten, war okay, Phytopharmaka, also Naturdrogen; Osterluzei und Nachtschattengewächse, Tollkirsche, Bilsenkraut und Stechapfel. Die fallen zwar unter das Medikamentengesetz, aber jeder kann sie haben. Sie enthalten Atropin und Hyoscyamin, das sind Nervengifte. Ein Teil von dem Zeug sediert, anderes turnt gewaltig an, ist aber auch ziemlich gefährlich. Du weißt ja, die Dosis macht das Gift. Dein Onkel besaß einige sehr interessante alte Schwarten zum Thema Naturdrogen. Die Apotheker wussten nämlich schon immer eine Menge über bewusstseinserweiternde Substanzen, und wir haben uns deren Wissen zunutze gemacht; Heinrich Weil, Bruant und ich. Es ist eine absolut sichere Sache, wenn man sich genau an die Rezepte hält, und ein paar Jahre lang lief der Laden wie geschmiert.«
    »Was erzählst du mir da?«, flüsterte Lina erschrocken. Sie fühlte, wie ihr in dem warmen Gewächshaus kalt wurde. »Ihr habt Drogengeschäfte gemacht? Mit meinem Onkel? Und wieso Bruant? Du hast mir gesagt, er wäre weggezogen, nach Genf. Du hast mich angelogen, Johann!«
    »Ich habe dir eine Geschichte erzählt, die genau so gut war wie die deines Onkels«, sagte er ohne Verlegenheit. »Jetzt hörst du die richtige. Nein, es stimmt nicht, dass Madame Rose ihren Ehemann vor die Tür gesetzt hat. Bruant wohnte zwar im Dorf, aber er ging in Buchfinkenschlag ein und aus. Du hast ihn ja gesehen; der Typ ist mehr Reptil als Mensch, und vermutlich zog er einen speziellen Genuss aus diesem Dreiecksverhältnis. Er hat den Vertrieb organisiert und die Drogen vertickt. Dein Onkel spielte derweil den harmlosen Waidmann und ich habe das Zeug gekocht. Das war unser Abkommen. Wir haben gut verdient.« Er wandte den Blick zur Decke.
    »Und dann kam Marion aus dem Pensionat zurück. Sie war ein wildes Ding und ich ein einfältiger

Weitere Kostenlose Bücher