Giftkuss
schaust so entsetzt.«
»Ich… ich hätte jetzt gerne was anderes gemacht. Irgendwas… Nettes, ich weiß auch nicht.« Katharina stand neben dem Computertisch und schaute auf ihre Füße. Die langen Haare verdeckten ihr Gesicht. Sie sah erschöpft aus und sie tat Cleo leid. Sie vergegenwärtigte sich, dass Katharina auch eine Freundin verloren hatte und jeder anscheinend anders damit umging. Sie wollte ermitteln und den Mörder finden, Katharina sich ablenken und verdrängen.
»Ich kann jetzt nichts Nettes mit dir unternehmen, Katharina. Später bestimmt, wenn alles vorbei ist.«
Katharina nickte. Sie schaute noch immer auf ihre Füße.
»Du willst da wirklich hin?«
»Warum nicht?«
»Was soll das bringen?«
»Keine Ahnung, vielleicht weiß er was.«
Plötzlich klingelte ein Handy. Cleo schaute sich suchend um. Das Klingeln kam aus Katharinas Tasche.
»Ich dachte, du hättest kein Handy.«
»Oh, ach so, ja…« Katharina kramte in ihrer beigefarbenen, sackartigen Tasche und holte tatsächlich ein Handy hervor. Sie schaute aufs Display, dann mit einem entschuldigenden Blick zu Cleo und nahm das Gespräch schließlich an.
»Hallo?… Ja, Mama, ich komme jetzt nach Hause… Nicht aufregen, ich bin gleich da, noch 10 Minuten… Trink ein bisschen Wasser, dann geht es dir gleich besser…«
Cleo hörte, wie eine weinerliche Frau laut in Katharinas Ohr plärrte, doch sie verstand nichts. Voller Mitgefühl lauschte sie den fürsorglichen Worten.
»Ja, das bringe ich dir mit… ja… ja… natürlich… Ich komme gleich… ja… Bis gleich, ja, mach ich, versprochen.«
Sie legte auf.
»Deine Mutter?«
»Ja, ich muss nach Hause.«
»Kann ich dir was helfen?« Cleo überlegte, ob sie vielleicht eher Katharina nach Hause begleiten und ihr bei der Pflege ihrer Mutter helfen sollte, anstatt nach Gießen zu fahren. »Du siehst nicht gut aus, und wenn du jetzt noch deine Mutter zu Hause hast… Ich kann doch mitkommen, was meinst du?«
»Nein«, sagte Katharina bestimmt und Cleo verstand sofort. Katharina würde sie niemals mit zu sich nach Hause nehmen. Das war ihr sicher peinlich. Sie fragte sich, ob Anja jemals bei ihr gewesen war, verkniff es sich aber, die Frage zu stellen.
Katharina ließ ihr Handy in die unförmige Tasche fallen und kramte ohne ersichtlichen Grund weiter darin herum.
»Ist schon okay. Vielleicht ein andermal«, versuchte Cleo, die unangenehme Situation zu entspannen.
»Ja«, antwortete Katharina. »Ich… Ich wollte dich nicht anlügen. Freundinnen lügen einander nicht an, aber…«
Sie hörte auf zu kramen, hängte sich die Tasche über die Schulter und hob den Kopf. Cleo sah in ihrem Blick etwas Gehetztes, fast ein bisschen Panik, und sie machte sich Sorgen.
»Ist was mit deiner Mutter passiert?«
»Nein, nein, das passt schon«, wich Katharina aus. »Ich vergesse meistens, dass ich ein Handy habe. Es ist nur für meine Mutter. Niemand sonst hat diese Nummer.«
Cleo war erstaunt. Bei ihr war es genau umgekehrt: Ihre Mutter war die Einzige, bei der sie manchmal nicht ranging. Plötzlich bekam sie deswegen ein schlechtes Gewissen.
»Ich muss jetzt gehen«, sagte Katharina.
»Magst du mir denn deine Nummer geben? Für alle Fälle.«
Kurz bildete Cleo sich ein, dass Katharina zögerte, aber sie konnte sich auch geirrt haben. Warum auch? Freundinnen tauschten nun mal ihre Handynummern aus. Und genau das taten sie dann.
Anschließend nahm Cleo Katharina in die Arme. Es fühlte sich… sie überlegte… anders an. Anja hatte sie mal darauf aufmerksam gemacht: Man würde angeblich bei der Umarmung spüren, ob ein Mensch unglücklich war. Daran musste Cleo jetzt denken, denn Katharina wirkte so angespannt, dass sie sie früher losließ, als sie eigentlich vorgehabt hatte. Sie wollte ihr nicht näher kommen, als es ihr recht war. Und es war deutlich zu merken, dass Katharina die Nähe unangenehm fand. Wahrscheinlich kannte sie so was einfach nicht. Und wieder überkam Cleo ein tiefes Gefühl der Zuneigung. Bei Katharina würde sie alles richtig machen, versicherte sie sich selbst erneut.
»Ich ruf dich nachher an, wenn ich mit diesem Mortzfeld gesprochen habe, okay?«
»Du gehst also wirklich hin?«
»Ja.«
»Okay, tschüss«, sagte Katharina und entfernte sich.
Irgendetwas bedrückt sie, dachte Cleo, als sie Katharina bis zur Ecke hinterherblickte. Dabei hatte sie vorhin noch so fröhlich ausgesehen, als sie von ihrem Vormittag erzählt hatte. Schwer hat sie es, wirklich
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