Giftpilz
sorgfältig die Gesichtszüge des Chefarztes.
»Ja, davon haben wir gehört.« Anscheinend nichts Verdächtiges in
seiner Mimik.
»Was ist denn davon zu halten? Ich meine, wie ist denn so etwas
überhaupt möglich?«
»Ich kann nicht für die Tannenklinik sprechen. Also bei uns wäre so
etwas absolut ausgeschlossen. Für unsere Leute lege ich die Hand ins Feuer. Wir
beschäftigen nur Spitzenkräfte – auch in der Küche.« Der Professor verschränkte
die Arme.
»Vielleicht war es auch gar nicht die Schuld der Tannenklinik, dass
es zu den Vergiftungen gekommen ist. Sie werden doch von derselben Pilzfirma
aus Altglashütten beliefert, oder?«, fragte Riesle unbeirrt weiter.
»Ich weiß nicht, ob wir von dieser Firma beliefert werden. Da müssen
Sie unseren Verwaltungsdirektor fragen. Oder Sie reden mal mit dem Küchenchef.
Wird die denn verdächtigt, etwas damit zu tun zu haben?«, fragte er
pflichtschuldig, fuhr dann aber fort: »Ich bitte um Verständnis, dass ich jetzt
lieber wieder über unsere Klinik sprechen möchte.«
Sollte ihre Tarnung nicht auffliegen, mussten sie wohl das Thema
wechseln. Professor Walger machte allmählich einen missmutigen Eindruck. Hummel
war ohnehin der Meinung, dass Klaus die Befragung zu plump gestaltete. Aber so
war er nun mal.
»Das sind wohl nur Gerüchte.« Riesle machte eine kurze Pause. »Aber
die besagen, dass Ihre Klinik etwas mit den Vergiftungen zu tun haben könnte.
Haben Sie davon auch schon etwas gehört?«
»Das ist doch völlig absurd!«, kam Hummel dem Chefarzt zuvor. Das
sollte heißen: Wir sind natürlich auf Ihrer Seite.
»Ganz recht. Absurd ist das richtige Wort. Hören Sie: Wollen Sie nun
eine Geschichte über uns machen oder lieber über missgünstige Gerüchte reden?«
»Entschuldigen Sie, aber dieser Fall hat für einiges Aufsehen
gesorgt. Sie haben natürlich vollkommen recht«, zog Klaus die Bremse. »Zurück
zum Thema: Sie erwähnten vorhin Ihren tollen Standard. Dürften wir uns vielleicht
noch ein wenig bei Ihnen umsehen?«
»Ich führe Sie herum.« Der Chefarzt war irritiert. Dieser Journalist
gefiel ihm nicht. Der plapperte zu viel und stellte seltsame Fragen. Und sein
Kompagnon war auch ein komischer Kauz. Ob dieser Artikel wirklich die gewünschte
Baden-Württemberg-weite PR für die Klinik brachte, wie der Verwaltungsdirektor
ihm gegenüber behauptet hatte? Man sollte stattdessen lieber auf die Schweizer
Flanke Wert legen. Dort gab es noch einiges zu holen.
»Welcher Bereich würde Sie besonders interessieren?«
»Die Küche«, sagte Klaus spontan.
»Nun ja, aber … das ist doch nicht unbedingt die interessanteste
Abteilung unseres Hauses.«
»Natürlich interessieren wir uns vor allem für Ihre technischen
Neuerungen im medizinischen Bereich«, meinte Hummel. »Davon würde ich gerne ein
paar Fotos machen.«
Nach einem Rundgang durch die medizinische Abteilung und einigen
Kurzvorträgen von Walger kam Riesle noch auf die Autos der Klinik zu sprechen.
»Sie verfügen ja auch über einen beachtlichen Fuhrpark. Und wie ich
vorhin gesehen habe, über umweltfreundliche Autogas-Kleinbusse. Das würde ja
bei unserer Reportage sehr gut zu dieser energetischen Sanierung passen und
Ihnen noch einen ökologischen Touch geben. Könnten wir vielleicht noch bei den
Autos vorbeischauen?«, fragte Riesle.
Der Chefarzt nickte, schien aber wenig begeistert zu sein.
Als sie auf dem Parkplatz standen, steigerte sich Walgers
Misstrauen, denn Riesle begann ein Interview mit einem der Fahrer zu führen: »Wie
fahren sich die Fahrzeuge mit Autogas? Wie weit reicht der Treibstoff? Wo
fahren Sie überall hin? Wer macht die Fahrten?« Professor Walgers Augen wanderten
zwischen der gestochen scharfen Alpenkette und Riesle hin und her.
Der tastete sich derweil weiter vorsichtig heran, um schließlich zur
entscheidenden Frage zu kommen: »War vorgestern am späten Morgen zufällig
jemand von Ihnen in Königsfeld? Ich war dort für meine Zeitung unterwegs und
bin mir ziemlich sicher, genau so einen Kleinbus gesehen zu haben.«
Der Fahrer verneinte: »Königsfeld? Ich wüsste nicht, was wir dort
sollten. Unsere Patienten holen wir meistens von den Flughäfen Zürich oder
Stuttgart ab. Oder von umliegenden Bahnhöfen. Und Ausflugstouren machen wir
meistens im Südschwarzwald oder allenfalls in Richtung Bodensee oder Schweiz.«
»Da muss ich mich wohl getäuscht haben.«
Dann wandte sich Riesle wieder an den Chefarzt, der nun ziemlich
böse dreinblickte.
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