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Giftpilz

Giftpilz

Titel: Giftpilz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Alexander; Ummenhofer Rieckhoff
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FERNBLICK
    Klaus’ psychischer und physischer Allgemeinzustand mochte
schon besser gewesen sein: Am Steuer seines Kadetts aber war er nach wie vor
ein Meister. Zumindest, wenn man die Verkehrsregeln außer Acht ließ. Auf der B31
war er an der vor sich hinkriechenden Mischung aus Lastwagen und Urlaubern ohne
Beachtung der eigentlich vorgesehenen Überholmöglichkeiten vorbeigezogen:
Döggingen, Löffingen, Neustadt. Warum sollte sich das nun auf der B500 ändern?
Nur weil es etwa zwei Dutzend gefährlicher Kurven gab?
    Hummel musste sich wieder einmal mit dem Gedanken auseinandersetzen,
nicht sehr alt zu werden. Riesle war weniger denn je zu stoppen, wenn er hinter
einer Geschichte her war.
    Der Journalist jagte seinen Kadett die kurvige Strecke hinauf in
Richtung Höchenschwand. Das Örtchen Häusern hatten sie gerade links liegen
lassen. Schon wenige Kilometer weiter wurden sie von einem Schild begrüßt:
»Willkommen im Dorf am Himmel.«
    »Ein bisschen großspurig«, meinte Riesle. »Sind die besonders
religiös?«
    »Nein, Höchenschwand ist der höchstgelegene heilklimatische Kurort
Deutschlands. Liegt auf einem Hochplateau, 1015 Meter hoch.«
    Riesle schnaufte vernehmlich: Sein Freund war nun mal Lehrer – auch
in der Freizeit.
    Das Dorf war nicht sehr groß, weshalb sie keine Schwierigkeiten
hatten, die Fernblickklinik zu finden. Für den gestochen scharfen Ausblick über
die Schweizer Alpenkette von Jungfrau bis Säntis hatte nur Hummel etwas übrig.
    »Hier werde ich mal ein paar Tage mit Carolin ausspannen – falls ich
diese Fahrt überlebe …«
    Der Journalist ignorierte die Bemerkung. Kaum war er aus dem Kadett
gestiegen, machte er sich daran, auf dem Parkplatz alle Autos zu inspizieren.
    »Sag mal, Riesle, hättest du vielleicht mal die Freundlichkeit, mich
an deinem Ermittlerwissen teilhaben zu lassen?«, fragte Hummel leicht
säuerlich.
    »Mein Informant hat gesagt, dass kurz nach der Pilzanlieferung in
der Tannenklinik ein verdächtiger Kleinbus gesehen worden ist. Und zwar mit dem
Kennzeichen WT–FK irgendwas. Die Zahlenkombination hat er sich nicht merken können.«
    Schon nach wenigen Sekunden klatschte Riesle begeistert gegen die
Karosserie eines weißen Wagens.
    »Volltreffer. WT–FK 5896. Das könnte er gewesen sein. Jetzt müssen
wir in der Klinik ausfindig machen, wer die Karre am Tag der Vergiftung
gefahren hat.«
    Hummel überblickte den Parkplatz.
    »Ähm, Klaus, schau dir mal die anderen Autos an.«
    »Ja?«
    »Hier sind doch relativ viele weiße Kleinbusse. Fällt dir da was
auf?«
    »Okay, ganz so einfach wird die Sache wohl doch nicht …«
    Auch einige andere Fahrzeuge führten nämlich die Initialen »WT–FK«
im Kennzeichen.
    »Ist ja auch logisch. Das steht für Fernblickklinik«, meinte Klaus.
    »Ich bewundere deinen Scharfsinn«, stichelte Hummel. »Der wird uns
jetzt auch sicher sagen, wie wir weiter vorgehen sollen.«
    »Ich habe bereits alles vorbereitet«, verkündete Riesle. »Der
Schwarzwälder Kurier öffnet immer die Pforten. Ich habe vorhin in der Klinik
angerufen und uns für eine Reportage angemeldet. Kuren im Südschwarzwald ist
das Thema. Ich bin der Journalist, du bist mein Fotograf. Das ist ein ganz
schön nobler Schuppen. Deshalb sollten wir seriös auftreten. Also werden wir
uns siezen.«
    Riesle hatte im Telefonat mit der Klinikleitung wie gewohnt dick
aufgetragen und damit geprahlt, dass die Geschichte im gesamten
Verbreitungsgebiet des Kuriers erscheinen solle: »Womöglich als Titelgeschichte
der Wochenendbeilage – ist natürlich eine super Werbemöglichkeit für Sie.« Bei
der Klinik hatte das immerhin derart Eindruck hinterlassen, dass sich sogar der
Chefarzt persönlich Zeit für sie nehmen wollte. Umso besser.
    Riesle hängte Hummel die Kamera um, was dem eher das Aussehen eines
Touristen verlieh.
    Sie betraten das Foyer, das an ein Luxushotel erinnerte und nicht an
eine Klinik. Es war eine moderne Säulenhalle, mit edlem Holzmobiliar und
dunklen Ledermöbeln ausgestattet, auf denen es sich Menschen bequem gemacht
hatten. Hummel war froh, dass er noch kurz vor der Abfahrt die Kleidung gewechselt
hatte. Jeans, Pullover, darüber ein etwas ausgebleichtes Jackett – so fühlte er
sich wieder als Mensch und nicht als Klinikinsasse. Allein die Tatsache, dass
er geschälte Karotten in seiner Jackentasche mitführte und immer wieder zwischendurch
an ihnen herumknabberte, irritierte etwas.
    »Schwarzwälder Kurier. Wir haben einen Termin mit Professor

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