Giftpilz
Kerl«, knurrte
Thomsen. Das Gerät zum Abhören des Polizeifunks hatte der Journalist abgeben
müssen, möglicherweise aber schon einen neuen Weg gefunden, die polizeilichen Ermittlungen
zu verfolgen …
24. FAHRTENBUCH
Winterhalter wollte die Ergebnisse von Küblers Befragung
diskutieren, aber das war mit Tho msen schwierig. Der Chef suchte immer nur
dann das Gespräch, wenn sein Schwarzwälder Kollege ihm durch seine Kenntnis von
Land, Leuten oder Pilzen weiterhelfen konnte. Fortschritte bei Ermittlungen oder
gar Erfolge zu teilen, das war nicht Thomsens Sache.
»Und wa haltet Sie allgemein vu dere Pilzfirma?«, fragte
Winterhalter dennoch und begutachtete die mit liebevoller Schrift verzierte
eben erworbene Kräutermischung, die freilich genauso gut aus der Provence hätte
stammen können.
Thomsen grummelte ein »Mal sehen« und konzentrierte sich auf die
kurvige Straße: Nicht dass ihm noch ein weiterer Irrer entgegenkam.
»I halt den Mann für glaubwürdig«, entschied Winterhalter und zeigte
auf ein überdimensionales Schild, das den Weg zur Fernblickklinik anzeigte.
»Vielleicht bringt de Obduktionsbericht vu dem Tote ebbes Neus«, sagte er –
mittlerweile zu sich selbst, da sonst ja keiner mit ihm sprach.
Thomsen war von der Fernblickklinik beeindruckt. Ein porentief
reines Vorzeigeprodukt. Noch dazu waren ihm hier keine Magen-Darm-Infekte,
keine Vergiftungen und keine Patienten namens Hummel bekannt.
Sie hatten sich vorher angemeldet und wollten den »Chef des
Fuhrparks« sprechen. Einen solchen gab es nicht, aber der Verwaltungsdirektor
kümmerte sich um die beiden Beamten. Er war vor allem erleichtert, dass die
Kriminalisten in Zivil gekommen waren. »Wegen unserer Gäste, Sie verstehen …«
Thomsen verstand keineswegs, kam aber gleich zur Sache. Ȇber wie
viele Autos verfügen Sie?«
Dem Verwaltungsdirektor schwante Übles: »Gab es … einen Unfall? Mit
Fahrerflucht?«
Winterhalter schaltete schnell: »Wieso? Wisset Sie vu einem?«
Das verneinte der Verwaltungsdirektor und beschloss, von nun an nur
noch zu reden, wenn er gefragt wurde.
Neun Autos, alle Kleintransporter, alle weiß, alle mit WT-FK im
Kennzeichen. »Als Corporate Identity«, fügte er doch noch hinzu.
Dann sollte er Auskunft geben, ob eines der Autos vor zwei Tagen in
der Tannenklinik in Königsfeld gewesen sei. Er verneinte, besann sich dann aber
eines Besseren: »Jedenfalls nicht, dass ich wüsste.«
»Gibt es bei Ihnen Fahrtenbücher?«, fragte Thomsen.
Fünf Minuten später waren sie auf dem Hof der Klinik, wo zwei
Drittel der Flotte bereitstand.
Winterhalter sammelte die Bücher ein und legte sie auf Thomsens
Wunsch auf der Motorhaube des Kripowagens aus, da dieser selbst keines anfassen
wollte.
»Bonndorf … Waldshut … Tanken … Bahnhof … wieder Bahnhof …
Titisee-Neustadt … Rheinfelden …« Links waren Ausgangspunkte und Ziele
eingetragen, rechts die gefahrenen Kilometer sowie der jeweils neue
Gesamttachostand. Der Kriminalhauptkommissar brauchte nur wenige Sekunden, um
das Ganze zu überfliegen und im Kopf nachzurechnen. Dem einen oder anderen der
herumstehenden Fahrer war Thomsens Akribie etwas unheimlich.
»Da waren vorher zwei Journalisten da, die sich auch für die Autos
interessiert haben«, meinte schließlich einer von ihnen.
Thomsens Kopf schnellte nach oben: »Vom Schwarzwälder Kurier?«,
fragte er.
Der Fahrer nickte: »Die wollen ’ne große Reportage über die Klinik
machen. Haben sogar alle verfügbaren Autos fotografiert.«
»Das stimmt«, bestätigte der Verwaltungsdirektor. »Mit Professor
Walger haben die Herren auch gesprochen.«
»Doof isch de Riesle jo nit – und gut vernetzt«, meinte Winterhalter
anerkennend. Thomsen befahl ihm wutschnaubend mit einer leichten Kopfbewegung,
sofort das nächste Fahrtenbuch zu öffnen.
Da trudelte Auto Nummer sieben ein. Auch ein weißer Kleintransporter
mit der Aufschrift »Fernblickklinik – Das Höchste im Schwarzwald«. Vom
Werbeschriftzug der Autos hatten die Zeugen in der Tannenklinik nichts gesagt.
Aber hätte ihnen der nicht auch auffallen müssen? Zumal das Logo besonders war:
stilisierte Tannen und ein schlossähnliches Gebäude, darunter war zu lesen:
»Weil Sie es sich verdient haben.«
»Hey, Richard, warsch du vorgeschtern in Königsfeld?«, fragte einer
der Kollegen.
Richard verneinte.
»Zeig emol dei Fahrtebuch her. D’ Kripo möcht’s sehe.«
Richard zog die Stirn in Falten, händigte aber bereitwillig das
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