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Giftpilz

Giftpilz

Titel: Giftpilz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Alexander; Ummenhofer Rieckhoff
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einem riesigen ovalen Glastisch und einem bildlichen
Schnelldurchlauf durch die Bau- und Umbauzeit der Klinik Platz nehmen. Zwei
weitere Fotos zeigten irgendwelche Scheichs, die sich offenbar bereits zur Kur
in den heiligen Hallen aufgehalten hatten.
    Den nun doch etwas beunruhigten Verwaltungsdirektor hatten sie vor
der Glastür zurückgelassen.
    »Also?«, fragte Thomsen freundlich. Am liebsten hätte er
auch auf Winterhalter verzichtet, doch der wusste das und drängte sich
demonstrativ als Erster auf einen der Lederstühle.
    »Also gut: Ich sag alles«, meinte Dorfer, eigentlich ein stattliches
Schwarzwälder Mannsbild, nun aber ein Häufchen Elend. »Aber des mit dem
Giftpilz …«
    »Eins nach dem anderen«, unterbrach ihn Thomsen. Er überlegte, ob er
den Mann gleich mit aufs Revier nehmen lassen sollte. Ein schneller Erfolg,
jetzt galt es nur noch, die Hintergründe zu klären, dann sollte Winterhalter
den Papierkram machen, und er selbst konnte endlich wieder im »Einbruchsdelikt
zum Nachteil des Claas Thomsen«, wie das Ganze dienstlich hieß, tätig werden.
    »Also«, sagte Thomsen. »Sie haben die Pilze also abgeliefert.«
    Dorfer nickte.
    »In wessen Auftrag?«
    Dorfer stutzte. »In meinem eigene, also …«
    »Sie wolltet sich räche?«, mischte sich Winterhalter in die
Vernehmung ein.
    »Räche?«, wiederholte Dorfer.
    »Herr Dorfer«, insistierte Thomsen. »Ein Geständnis kann sich nur
dann strafmildernd auswirken, wenn Sie wirklich alles sagen.«
    Dorfer nickte. »Scho, aber …«
    »Na, sehen Sie.« Thomsen klang nun fast wie jemand, der wirklich
über Sozialkompetenz verfügt. »Und nun noch mal von vorn. Also: Wo hatten Sie
die Pilze her?«
    »Aus dem Wald. Ich kenn einige sehr gute Stelle, die die Schweizer
no nit abgegrast habe. Geh seit fünfundzwanzig Johr in d’ Pilz.«
    »Gut«, meinte Thomsen und nickte. Der Mann hatte die Giftpilze
eigenhändig gesammelt, um sie der Tannenklinik unterzuschieben, damit deren Ruf
litt. »Und wie viele waren das?«
    »Letzschtes Mol so siebe Kilo an zwei Dag. War e Heidearbeit.«
    »Siebe Kilo?«, rief Winterhalter entsetzt.
    »Und was heißt letztes Mal?«, erkundigte sich Thomsen, der weiter
sachlich blieb. »Haben Sie solche Aktionen etwa schon öfter durchgeführt?«
    Dorfer schnaufte tief durch. »Jetz isch’s jo eh scho raus«, meinte
er dann resignierend. »Ein- bis zweimal die Woch – natürlich nur in de Pilzzeit …«
    Die beiden Beamten schauten sich ziemlich fassungslos an.
    »Dann wundere ich mich, dass das nicht schon früher aufgefallen ist«,
sagte Thomsen schließlich.
    Dorfer stimmte zu. »I bin froh, dass i jetzt aufg’floge bin«, meinte
er dann.
    »Und was war das Motiv?«, fragte Thomsen weiter.
    »I brauch halt Geld.«
    »Wie viel haben Sie dafür bekommen? Und von wem?«
    »Ha, vu de Schweizer halt. Es waret … so insgesamt dreihundertfünfzig
Franke.«
    »Dreihundertfünfzig Franke?« Nun war Winterhalter völlig entsetzt.
»Sin Sie blöd, Mann?«
    »Ein Franken ist weniger wert als ein Euro, oder?«, fragte Thomsen
zur Sicherheit nach. Winterhalter nickte.
    »Wieso? Was hätte Sie denn verlangt?«, fragte Dorfer nun fast
beleidigt.
    »I? I dät so en Scheiß nit mache«, sagte Winterhalter. »Wisset Sie,
was dabei passiere kann? Für dreihundertfünfzig Franke vergifte Sie Mensche?«
    »Die Pilze waret eiwandfrei«, meinte Dorfer.
    »Jo sicher!«, höhnte Winterhalter. »Nu halt e weng giftig …«
    »Giftig?«, wiederholte Dorfer. »Was habet Sie denn immer mit dem
›giftig‹?«
    »Jo, wollet Sie etwa behaupte, dass Sie ganz normale Speisepilze
nach Königsfeld bringe und dann dem Mittagesse untermische?«
    Dorfer starrte die beiden Beamten abwechselnd mit großen Augen an.
»Wieso denn scho wieder Königsfeld?«
    Winterhalter hatte nun die Vernehmung endgültig an sich gerissen.
»Wollet Sie uns verarsche?«
    Thomsen blieb äußerlich völlig gelassen. »Herr Dorfer, von was reden
wir hier?«
    Dorfer fasste sich und begann zu erzählen: Dass er jede Woche ein-
bis zweimal morgens drei Stunden mit dem Dienstwagen in die Pilze gefahren sei
und vorwiegend Steinpilze gesammelt habe, sich unter Ausreden von den Kollegen
abgesetzt habe beziehungsweise nach Aufträgen nicht sofort zur Klinik
zurückgekehrt sei. Dass er die Pilze schließlich in die benachbarte Schweiz
gefahren und sie – zuletzt in St. Gallen – auf Märkten oder auch an einzelne
Hotels verkauft habe, wo man viel bessere Preise als im Schwarzwald erzielen

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