Giftpilz
beide tot«, hatte der Arzt locker aus der Hüfte
pariert und rasselnd gelacht.
Hubertus beschloss, im Goldenen Löwen einen Salatteller zu essen.
Der Sachse, dem er beim Aquajogging begegnet war, wollte
im Gegensatz zu Hummel weiter dem Klinikessen treu bleiben. »Kost jo nix«,
hatte er gemeint.
»Vielleicht das Leben halt«, gab Hummel zu bedenken.
»Mochen Se’s doch wie die da«, schlug der Ostdeutsche vor und zeigte
auf eine füllige Dame mittleren Alters. »Ich hab gehört, se isst weiter hier –
und geht gleich danach noch an diesen Kebabstand …«
Tratsch und Klatsch verbreiteten sich in der Klinik schnell.
Hubertus schien aber kein geeignetes Objekt dafür zu sein. Das Einzige, das
sich von ihm herumgesprochen hatte, war sein Ausraster in der Gruppentherapie
gewesen. Seitdem hielt man ihn für einen Miesepeter – aber offenbar keinen sehr
interessanten.
Außer dem Sachsen (»War’n Se mit eener Ihrer Frauen unterwegs?«)
schien auch seine Abwesenheit niemandem aufgefallen zu sein. Bei den
freiwilligen Angeboten wie Square Dance schaute man eh nicht so genau, wer
gerade da war, und Frau Bertsche-Hundammer hatte ihn in der Gruppentherapie
wohl endgültig abgeschrieben. In diesem Arrangement konnte er sich wiederfinden …
Um zwanzig vor sieben verließ Hubertus die Tannenklinik.
Den Trainingsanzug hatte er durch Jackett und Hemd ersetzt. Jetzt noch ein
Versuch, Carolin telefonisch zu erreichen – doch zum dritten Mal heute hatte er
Pech. Am Morgen und am frühen Nachmittag hatte sie Unterricht gehabt, und auch
jetzt war die Teilnehmerin vorübergehend nicht erreichbar. Frauen, das war
offensichtlich eine Grundregel der modernen Kommunikation, gingen nie ans
Handy, wenn man sie anrief. Nie!
Er musste daran arbeiten, die Beziehung zu Carolin zu intensivieren – Kur hin oder her. Ein minimal schlechtes Gewissen, sich jetzt mit seiner
Exfrau zu treffen, hatte er zwar, doch erschien ihm Carolins Eifersucht unangebracht.
Eine gewisse Verantwortung für die gemeinsame Tochter Martina und natürlich den
Enkel Maximilian hatte er ja zweifelsohne – und worum sollte es sonst bei einem
solchen Treffen mit Elke gehen?
Hummel tippte darauf, dass es zwischen Martina und Didi, ihrem
Liebsten, Probleme gab, die Elke nun mit seiner Hilfe zu lösen gedachte. Er
schnaufte tief durch: Vermutlich sollte er wieder einmal ein »gutes Gespräch«
mit Didi von Mann zu Mann führen.
Allerdings war diese Beziehungsproblematik immer noch besser als
etwaige gesundheitliche Probleme von Maximilian oder was sonst man sich an
Unbilden lieber nicht vorstellen mochte.
Hummel genoss die fünfzehnminütige Fahrt durch den frühherbstlichen
Schwarzwald. Bunt gefärbte Laubbäume wechselten sich mit den dominanteren
dunklen Fichten ab und bildeten insgesamt einen ansprechenden Farbteppich. Er
war endlich einmal nicht in Hektik, konnte sich in die dahinschleichenden
Touristen hineinversetzen und auch einen Blick links und rechts der Straße
werfen.
Kein Zweifel: Er hatte es schon gut getroffen mit seinem
Schwarzwald. Es galt nur, den Touristenblick, das Wertschätzen der Wälder, das
Staunen über jene Postkartenidylle zu übernehmen, die Freude über die kleinen Bäche
und das Reh, das sich scheu seinem Blick in Richtung Wald zu entziehen
versuchte. Im Alltag etwas Urlaub und Erholung zu finden. Das war es doch, was
mit Lebensumstellung gemeint war. Und welche Gegend bot sich dazu besser an als
der Schwarzwald? Der frühe Morgen und die sich allmählich ankündigende
Dämmerung waren dafür die idealen Zeiten.
Hubertus nahm sich vor, gleich morgen früh eine Stunde vor Svetlanas
Weckdienst aufzustehen und in Ruhe durch Königsfeld, vor allem aber durch die
angrenzenden Wiesen und Wälder zu schlendern. Frühtau und Morgennebel auf sich
wirken zu lassen. Aufzutanken. Den Schwarzwald erwachen zu sehen. Das war
wichtiger als eine zusätzliche Stunde Schlaf. Viel öfter sollte er das tun.
Eigentlich beschämend: Da mussten erst Kurgäste aus Sachsen und sonstwoher
kommen, um ihm die Vorzüge seiner Heimat vor Augen zu führen.
Je näher er Triberg kam, umso mehr fragte er sich, warum Elke
etwaige Probleme unbedingt an einem solchen Ort mit ihm besprechen musste.
Immerhin war es ihm so lieber, als wenn sie wieder die halbe Klinikbelegschaft
in Beschlag genommen und sich wie sein Vormund aufgespielt hätte.
Den Goldenen Löwen fand er sofort: »Romantik-Hotel und -Restaurant«
nannte er sich. Hubertus schluckte.
Die
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