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Giftpilz

Giftpilz

Titel: Giftpilz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Alexander; Ummenhofer Rieckhoff
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Einrichtung des Löwen war … ja, romantisch. Kitschig, hätte
Hummel sogar gedacht, doch war sein Gemüt nach den schönen Eindrücken von der
Fahrt milde gestimmt. Plüschsofas, Springbrunnen, wie man es sonst nur von
asiatischen Restaurants kannte, verwunschene Eckchen, in denen die Pärchen
ungestört kuscheln konnten, und an den Wänden gehirnbetörende Farbüberdosierungen.
Dazwischen schauten Hubertus mal Humphrey Bogart und Ingrid Bergman, mal Julia
Roberts und Richard Gere an, und auch Herr DiCaprio durfte nicht fehlen:
Filmplakate der großen Liebesschnulzen von »Casablanca« über »Vom Winde
verweht« und »Doktor Schiwago« bis zum »Letzten Tango in Paris«, der etwas aus
dem Rahmen fiel, wie Hubertus fand.
    Diesen Film hatte er während der gemeinsamen Studienzeit mit Elke in
einem der Alternativkinos von Freiburg angeschaut. Es hatte ihn unangenehm
berührt, ja fast beschämt, dass die Sexszenen auf der Leinwand viel weiter als
das gegangen waren, was er sich mit Elke in diesen ersten Wochen ihrer
Beziehung hätte erträumen können. Noch fünfundzwanzig Jahre später überzog sich
sein Gesicht in der Erinnerung daran mit einer leichten Rötung. Elke hatte ihm
den cineastischen Ausflug aber keineswegs übel genommen. Schließlich seien sie
beide »aufgeklärte Wesen«, wie sie ihm mitgeteilt hatte. Was zu diesem
Zeitpunkt nur teilweise stimmte. Zumindest, wenn man Marlon Brando zum Maßstab
nahm.
    Nun also wieder Elke. In diesem Lokal, das allein schon deshalb
nicht zu ihr passte, weil sämtliche spirituellen Anleihen fehlten. Keine
Buddhas wie beim Thailänder, keine hinduistischen Gottheiten wie in einem
indischen Restaurant, nicht der Herrgottswinkel einer gemütlichen Schwarzwälder
Gastwirtschaft und auch keine Statue von Lucidus, dem Sektenoberhaupt der
»Kinder der Sonne«, denen Elke bis vor Kurzem – und vielleicht noch immer –
zugeneigt gewesen war.
    Weitere Überlegungen verhinderte die freundliche Kellnerin, die
Hummel an ein ganz besonders lauschiges Plätzchen führte – eine Ecke, die
beinahe schon Höhlencharakter hatte.
    Hier würden sie tatsächlich vollkommen ungestört reden können.
Hubertus vermochte in den anderen Verzweigungen des Romantik-Restaurants kaum
weitere Gäste auszumachen. Der Zauber entfaltete sich wohl ohnehin erst
richtig, wenn es draußen dunkel wurde.
    Auf dem Tisch, an den Hummel sich setzte, wurden zwei Kerzen
angezündet. Ein Strauß roter Rosen, ein Glas mit Rosenblüten und ein
aufdringlicher Duft von Moschus.
    Jesses nei!
    Und es ist doch Kitsch, dachte Hubertus.
Er fühlte sich wie damals, wenn er zu viele Süßigkeiten gegessen hatte. Die
erste Praline schmeckte fantastisch, die zweite auch noch, aber irgendwann
wurde der Gaumen des Süßen überdrüssig. So erging es jetzt Hummels Augen.
    Andererseits: Die Fressattacke im Kurpark hatte bewiesen, dass er
mittlerweile schon fünfundvierzig Minuten ohne jede Regung seines Gehirns
drauflos essen konnte.
    Er legte sein Jackett ab und fragte sich, was Elke mit dem Treffen
wohl bezweckte. An dem klebrigen Aperitif, den ihm die Bedienung hingestellt
hatte und der genauso süßlich schmeckte, wie es hier aussah, nippte er nur.
    Panik war es noch nicht, die Hummel erfasste, aber doch ein etwas
unangenehmes Gefühl. Das Ambiente, um etwaige familiäre Probleme zu besprechen,
war so falsch gewählt, dass mehr dahinterstecken musste.
    In ihm bahnte sich der Gedanke Raum, Elke wolle ihn wieder zu sich
zurückholen. Bei näherer Betrachtung und ohne jede Eitelkeit ließ die Wahl des
Etablissements genau genommen keinen anderen Schluss zu. Sie hatte ihn hierhergebeten,
um ihn in einem Mix aus Holzhammerromantik, süßen Likören und unwiderstehlicher
Abendgarderobenweiblichkeit zu verführen. Wer weiß, welches Medium ihr das
wieder eingeflüstert hatte.
    Elke kam zehn Minuten zu spät und ohne Abendgarderobe: mit
etwas verwuschelten Haaren, Jeans und einer Batikbluse. Wie immer eben.
    Sie hatte sich gerade ihm gegenüber niedergelassen und wollte sich
erklären, da erschien auch schon der Inbegriff eines jeden Candlelight-Dinners
in der Nischenhöhle des Nochehepaars Hummel, in der sich Hubertus mittlerweile
wie ein Gefangener vorkam: ein Geiger im Frack, der zu jedem Saitenstrich
angestrengt Grimassen zog. Was er spielte, wusste Hummel nicht, nur, dass es
schnulzig war und dass allmählich die Wut in ihm aufstieg. Wenn er sich nur
irgendwie hätte verständlich machen können, wäre eine Rüge für Elke

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