Giftpilz
Psychofolter ausgesetzt gewesen.
Was sicher auch ziemlich genau der Fall gewesen war.
Regine Pergel begnügte sich mit einem Dauernicken, das offenbar
schon fast meditative Züge trug. Dabei rührte sie gedankenverloren in ihrer
Teetasse. Tee! Alle tranken Tee! Das ideale Beiwerk zu »guten Gesprächen«. Wo
waren die Räucherstäbchen?
Hubertus fiel ein, dass er Fahrräder neben der Haustür gesehen
hatte. Obwohl es ihm widerstrebte, musste er den Pergel-Bülows insgeheim
Respekt zollen. Sie hatten sich offenbar auf ihren Rädern von Villingen nach
St. Georgen und den Rupertsberg hoch gequält.
»Wir werden gleich noch mal Elke anrufen«, sagte Pergel-Bülow lächelnd.
»Sobald wir sie erreichen, können wir das alles gemeinsam diskutieren.«
War es die psychosomatische Reha? Oder waren es einfach nur
Pergel-Bülows? Hummel hatte allmählich den Eindruck, dass er verrückt wurde. Er
war in einer Zeit und in einer Familie aufgewachsen, in der man Probleme dieser
Art nicht unter dem Einsatz von esoterischen Mediatoren zu lösen versuchte. In
der es solche Probleme gar nicht gegeben hatte – zumindest nicht nach außen.
Die Selbstverständlichkeit, mit der sich Pergel-Bülows in sein Leben
einmischten und seine intimsten Beziehungen klären wollten, ließ ihn halb
hilflos, halb aggressiv werden.
»Weißt du«, sagte Pergel-Bülow wieder, »für die Carolin war das ein
großer Schock gestern.«
Hummel nickte verbissen. Ja, für ihn auch. Der Schock hier konnte
sich aber durchaus mit dem gestrigen messen.
»Vielleicht kannst du uns jetzt mal sagen, Huby«, fuhr der Nachbar
unbeirrt weiter fort, »wer der Carolin den Brief geschrieben hat, dass sie um
halb acht in diesem Romantik-Hotel sein soll?«
Hummel holte tief Luft. »Elke, fürchte ich«, sagte er dann leise,
obgleich er sich ärgerte, dass er in diesem komischen Verhör überhaupt Antwort
gab.
Nun mischte sich Regine ein. »Es ist gar nicht so selten, dass nach
einer Trennung die Expartner wieder Gefühle füreinander entdecken. Zumal dann,
wenn sie Seelenverwandte sind.« Sie schaute nun Carolin bedauernd an. »Und Elke
hat wohl herausgefunden, dass sie und Hubertus Seelenverwandte …«
Hummel schickte ein Stoßgebet zum Himmel. Gnade! Für ihn und
Carolin, die ihm einfach nur leid tat.
»Weißt du, Huby«, übernahm nun wieder Pergel-Bülow. »Für die Caro
ist das Ganze ja auch so schwer, weil sie ein Baby haben möchte.«
Hummel war nun kurz davor, sich seine wenigen Haare auszureißen.
Warum erzählte er ihm das? Woher wusste der Nachbar das überhaupt? Er, Hubertus
Hummel, wusste es, verdammt noch mal – und das genügte. Er war schließlich der
Lebensgefährte dieser bemitleidenswerten Person. Pergel-Bülow hingegen ein
unsäglicher Wicht, der ihm zwar möglicherweise das Leben gerettet hatte, wie
Hummel nun sich selbst gegenüber einräumen musste, den das alles hier aber
dennoch einen feuchten Kehricht anging.
»Du, Elke«, hörte er Regine, die inzwischen das Telefon in der Hand
hielt. »Könntest du mich dringend mal anrufen? Klaus-Dieter, die Carolin und
der Hubertus sitzen hier bei der Caro – und wir sollten unbedingt was
miteinander besprechen.«
Hummel schaute Carolin an, doch die erwiderte seinen Blick nicht und
starrte ein Loch in den Tee. Er stellte sich vor, wie sie in wenigen Minuten zu
fünft die Raupe durch Carolins Wohnzimmer machen würden, wenn das so
weiterging. Auf das Wollknäuelwerfen konnte man wohl immerhin verzichten – sie
kannten sich ja bereits alle.
»Weißt du, Huby«, meinte nun Regine mit ihrer sanftesten Stimme.
»Unabhängig davon, wie unser Gespräch sich weiterentwickelt: Du musst
versuchen, mit dir ins Reine zu kommen. Dein Misstrauen abzubauen. Nur so
können sich echte Beziehungen entwickeln. Zu dir selbst – und zu deinen Partnerinnen.«
Doch, Regine Pergel machte das sehr gut. Vorausgesetzt, sie hatte
zum Ziel, dass er kollabierte. »Unser« Gespräch? Am liebsten hätte er diese
beiden Hobbylebensberater hinauskomplementiert und sich dann in Ruhe mit
Carolin unterhalten.
Genau das sagte er den beiden auch, doch seine Freundin machte
keinerlei Anstalten, ihn zu unterstützen. Sie hatte noch nicht einmal
nachgefragt, ob er wirklich nichts mit dem Brief an sie zu tun hatte.
Wahrscheinlich war sie zu wütend darüber, dass er sich auf das Treffen mit Elke
eingelassen hatte.
Frauen!
»Weißt du«, meinte nun Regine zu Klaus-Dieter. »Ich glaube, ich rufe
auch mal die Brinda an. Die hat doch
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