Giftspur
hat.«
»Was ist mit den Einreisebehörden, hat sich da schon etwas ergeben?«, kam es der Kommissarin in den Sinn.
»Wegen Frederik? Nein, nichts«, seufzte Möbs. »Laut Computer hat er seinen Dschungel nicht verlassen, doch ich bezweifle, dass Schulte sich damit zufriedengeben wird.«
»Bleibt ihm nichts anderes übrig«, brummte Angersbach, »oder will er bundesweit nach ihm fahnden?«
»Bringen Sie ihn bloß nicht auf solche Gedanken«, stöhnte Möbs, doch Sabine schüttelte nur beschwichtigend den Kopf.
So impulsiv war Schulte nun auch wieder nicht.
Die beiden kehrten in ihr Büro zurück, wo Sabine die Tür schloss und das Fenster kippte. Die abgestandene Luft im Besprechungszimmer hatte ihr Kopfschmerzen verursacht.
»Kaffee?«
»Ja, bitte. Aber ohne Milch.«
Angersbach lachte kurz auf. »Wir haben hier garantiert nichts von
BIO
gut.
«
»Trotzdem«, erwiderte Sabine abwinkend. »Oder gerade deswegen, ach, es ist zum Aus-der-Haut-Fahren!« Sie seufzte und rümpfte die Nase. »Da kauft man Bio, weil man sich um Milchpreise, Tierschutz und Gesundheit sorgt, und was ist das Ergebnis? Gepanschte Brühe, die zu allem Überfluss auch noch vergiftet wird!«
»Noch haben wir keine vergifteten Produkte sichergestellt«, setzte Angersbach ihr entgegen und schob eine dampfende Tasse in Richtung seiner Kollegin. Sie bedankte sich mit einem müden Lächeln, schloss die Augen und schlürfte kurz.
»Wie viele Läden waren es, in denen das Zeug vertrieben wird?«
Angersbach überlegte kurz. Dann zählte er sechs Namen auf, begonnen mit Reitmeyers erstem Bioladen in Bergen-Enkheim. Der Bogen spannte sich von Frankfurt nach Bad Homburg, eines der Geschäfte befand sich außerdem in Friedberg. Sabine lugte an ihm vorbei in Richtung der Landkarte Hessens, die, schon etwas ausgeblichen, über der Kaffeemaschine hing.
»Das goldene Dreieck des vergifteten Kefirs.«
Bevor Angersbach sich dazu äußern konnte, meldete sich das Telefon. Sogleich schnellte seine Hand nach vorn, und er riss den Hörer ans Ohr. Aufmerksam beobachtete Sabine die Bewegungen seiner Gesichtsmuskulatur. Das linke Auge bildete einen Schlitz, die Halsmuskeln zuckten, dann hoben sich die Augenbrauen. Konzentration, Anspannung, Erkenntnis. Eine vielversprechende Kombination. Geduldig nippte sie ein weiteres Mal an ihrer Tasse.
»Na, mitbekommen?«, fragte Angersbach, kaum dass er den Hörer vom Ohr genommen hatte. Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern fügte mit vielsagendem Blick hinzu: »Der Erpresser hat sich gemeldet.«
»Nein!«, stieß Sabine erregt hervor. »Was fordert er? Welches Medium hat er diesmal benutzt? Ist Vera Finke schon auf freiem Fuß?«
»Eins nach dem anderen«, wehrte er ab und deutete auf Sabines Telefon. »Sie fragen nach, wann genau die Finke entlassen wurde, und ich kümmere mich derweil um den Rest. Es kam wieder eine E-Mail.«
Sabine suchte eine Kurzwahlnummer, und zwei Minuten später wurde ihr mitgeteilt, dass Frau Finke vor einer knappen halben Stunde entlassen worden sei. Ein weiteres Telefonat brachte die Information, dass sie daraufhin in ein Taxi gestiegen sei und auf direktem Weg nach Hause gefahren war, wo sie sich noch immer befand.
»Behalten Sie das Haus im Auge«, ordnete die Kommissarin an, »auch eventuelle Hinterausgänge.«
Im Hintergrund ratterte der Tintenstrahldrucker und spuckte zwei Papierseiten aus, deren Schriftbild irgendwie blass wirkte.
»Verdammte Patronen«, schimpfte Ralph und suchte nach einer Tastenkombination für das Reinigungsprogramm des alten Geräts. Wenn man immer nur Schwarz druckte, war es kein Wunder, dass Cyan, Magenta und Gelb mit der Zeit trockenen Schorf über ihre haarfeinen Düsen legten.
Angersbach reichte Sabine eine der Seiten, die ausschließlich in Grautönen gehalten war, und fragte: »Kann man alles entziffern?«
»Ja, fürs Erste genügt es wohl.«
Ein hektisches Knarren des Schlittens, gefolgt von hastigen Bewegungen, die das Gerät in Schwingung versetzten, verrieten Sabine, dass ihr Kollege den Reinigungstaster gefunden hatte.
Die Tinte roch abgestanden, und Sabine fragte sich für einen Moment, ob Druckertinte überhaupt einen frischen oder gar angenehmen Geruch verbreiten könne. Statt eine Antwort zu suchen, betrachtete sie grüblerisch das vor ihr liegende, in sanften Wellen gebogene Papier. Sie erkannte, dass es sich nicht um eine reine Textnachricht handelte, sondern um ein Bild. Ein abfotografiertes oder eingescanntes Schreiben, welches
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