Giftspur
Möglichkeit gab, Zeitschriften zu abonnieren. Tatsächlich wurde sie nach einigen Minuten fündig.
»Geschenkabo, Probeabo, Prämienabo«, berichtete sie freudestrahlend. »Um was wollen wir wetten, dass einer unserer Kandidaten auf der Abonnentenliste steht?«
»Mit Ihnen wette ich nicht mehr.« Angersbach schob grimmig die Augenbrauen zusammen, zeigte aber ein verschmitztes Lächeln.
Auch Sabine musste lachen und wählte die Telefonnummer einer Hotline, die in der unteren Zeile der Website hervorgehoben war. Nach einer gefühlten Ewigkeit meldete sich eine junge Frauenstimme, die der Kommissarin mit großer Beharrlichkeit zu verstehen gab, dass es keine Möglichkeit gäbe, die Bezieher des Magazins namentlich aufzulisten.
Zerknirscht beendete Sabine das Telefonat mit den Worten: »Dann eben nicht.« Sofort informierte sie Möbs darüber, damit er eine entsprechende richterliche Verfügung in die Wege leiten konnte.
»Fahren wir rüber zu Frau Reitmeyer?«, erkundigte sich Ralph schließlich.
»Ja, wieso nicht«, antwortete Sabine achselzuckend. Wolfram Berndt konnte sich auch alleine mit der neuen Mail beschäftigen. Das Gleiche galt für Konrad Möbs und diesen ominösen Verlag.
Zu viele Sonderlinge für meinen Geschmack,
schloss sie beim Hinausgehen.
Claudia Reitmeyer wirkte alles andere als ängstlich. Im Gegensatz zu ihrem letzten Aufeinandertreffen versprühte sie wieder die ihr eigene Arroganz. Den kühlen Charme einer Giftspinne, die ihre Opfer einzulullen wusste, um dann knallhart zuzuschlagen.
»Haben Sie etwas vorzuweisen?«
Selbst in Angersbachs Ohren klang die Frage wie eine Provokation. Er registrierte die latente Angriffslust der beiden Frauen und entschloss sich kurzerhand, das Gespräch zu übernehmen.
»Unsere Experten befassen sich mit der letzten E-Mail«, antwortete er, und Claudia wandte sich ihm zu.
»Mehr nicht?«
Ralph ahnte, dass Sabine innerlich zu kochen begann, und erwiderte eilig: »Wir haben verschiedene Hinweise, denen wir nachgehen, aber nichts, das spruchreif wäre. Ermittlungstechnische Gründe.«
»Klingt mir mehr nach einer Ausrede.«
»Vertrauen Sie uns.« Angersbach rang sich das charmanteste Lächeln ab, zu dem er fähig war, und war heilfroh, dass er sich nicht selbst in einem Spiegel gegenüberstehen sah.
»Sie dürfen ruhig ausplaudern, dass Sie die Finke verknackt haben.«
Teufel noch mal!
»Wer hat Ihnen denn das gesagt?«, platzte es aus Sabine Kaufmann heraus, während Angersbach sich noch von seiner Überraschung erholte. Von der Verhaftung hatte doch niemand erfahren.
»Unwichtig«, wehrte Claudia harsch ab, »solche Dinge sprechen sich nun mal herum. Hat die Finke etwas mit der Sache zu tun? Hat sie etwa meinen Vater auf dem Gewissen? Ich schlage vor, Sie reden endlich, sonst wird sich Dr. Brüning der Sache annehmen!« Dann verebbte ihre Stimme allmählich. »Ich habe das Recht, die Wahrheit zu erfahren.«
»Frau Finke wurde aufgrund einiger Indizien inhaftiert und längst wieder entlassen. In puncto der Morde haben wir – keine Ausrede! – nichts Neues vorzuweisen, bedaure.«
»
Ich
bedaure das noch viel mehr.«
»Obwohl Herr Reitmeyer nicht Ihr leiblicher Vater war?«
Sabine stand mit versteinerter Miene und überkreuzten Armen im Raum, regungslos wie eine Marmorstatue. Sie fixierten die drei Meter entfernt stehende Stieftochter, als wollte sie die Antwort aus ihrem tiefsten Inneren herausbohren.
»S…Sie wissen davon?«
»Wir hätten es lieber von Ihnen erfahren«, entgegnete die Kommissarin.
»Was ändert das denn?«, fragte Claudia schnippisch. »Vater, Adoptivvater, das ist rechtlich betrachtet dasselbe.«
Angersbach wollte etwas einwenden, schwieg aber. Er musste unwillkürlich an die Vaterfiguren denken, die er zeit seines Lebens kennengelernt hatte. Am nächsten kam dem Ganzen wohl sein Pflegevater, doch er hatte ihn nie als solchen bezeichnet. Väter waren etwas für normale Kinder, er hatte nun mal keinen,
na und?
»Wann wurde diese Adoption denn vollzogen?«, hörte er Sabine fragen, und er hätte schwören können, dass seine Kollegin dies längst wusste. Doch er ließ sie gewähren, ganz entgegen seinem ursprünglichen Vorhaben, das Gespräch zu leiten.
Solange sie sich nicht an die Kehle gehen.
Claudia warf einen Blick in Richtung Decke, wo dunkles Gebälk sich in einem Abstand von einem Meter quer durch den Raum zog. »Vor knapp drei Jahren. Meine Mutter war zu diesem Zeitpunkt schon sehr krank. Aber ich habe
Weitere Kostenlose Bücher