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Giftspur

Giftspur

Titel: Giftspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Holbe
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und die eisige Kälte hatten den Verwesungsgeruch nur langsam nach außen dringen lassen. Drinnen jedoch, die Heizkörper bollerten auf hoher Stufe, war ihr schier die Luft weggeblieben. Trotz eilig aufgerissenen Fenstern war der Kommissarin der Atem gestockt, und nur mit größter Mühe war es ihr gelungen, den Würgereiz zu unterdrücken. Unter dem Körper der Toten hatten sich Abertausende fetter Maden getummelt, ein trauriger, würdeloser Abschied von einer einsamen, freudlosen Welt.
    »Warum haben Sie gewechselt?«, durchbrach Angersbachs Stimme ihre Gedanken.
    »Lange Geschichte«, erwiderte sie wortkarg. Sie fühlte sich nicht dazu bereit, ihre privaten Sorgen mit Angersbach zu besprechen. Nicht nach ihrem holprigen Start. Noch nicht zumindest. Andererseits interessierte es sie brennend …
    »Ich wollte jedenfalls ursprünglich nach Friedberg«, sprach der Kommissar weiter, als hätte er die Gedanken seiner Kollegin erraten. »Dann hat unser Häuptling mir aber offeriert, dass ich entweder ein Jahr Bad Vilbel abzureißen hätte oder bleiben müsse. Wobei er mir deutlich zu verstehen gab, dass seine Präferenz der Wechsel war.«
    »Ärger im Paradies?«, fragte Sabine metaphorisch. Sollte Angersbach selbst entscheiden, wie viel er preiszugeben bereit war.
    »Wie man’s nimmt«, brummte dieser und manövrierte den Geländewagen ruckelnd durch einen kleinen Kreisverkehr. Der zu enge Kurvenradius ließ ihn einen Rinnstein überfahren, fluchend steuerte er gegen und setzte nach: »Verdammte Kreisel! Die sind hier ja überall.«
    Grinsend verkniff Sabine Kaufmann sich einen Kommentar, denn sie wollte nicht die Erste sein, die wieder mit spitzzüngigen Bemerkungen in den Ring stieg.
     
    Auf dem Hof herrschte mäßiger Betrieb. Zwei in grüne Arbeitshosen und dicke Jacken gekleidete Männer lehnten rauchend an einer Mauer unweit der Maschinenhalle, und alles wirkte friedlich, beinahe idyllisch. Die Sonne zeigte sich am von zahlreichen blauen Flecken durchlöcherten Firmament, und auch wenn es ihr nicht gelang, die tiefsitzende Kälte aufzulösen, so spürte man ihr doch eine frühlingshafte Kraft innewohnen. Sekunden, bevor Angersbachs Wagen den Zufahrtsweg durch die gemauerte Hofeinfahrt nahm, schoss ihnen eine dunkle Limousine entgegen. Der Fahrer lenkte erschrocken gegen, das Heck schlingerte kurz, dann gewann er wieder die volle Kontrolle und verschwand in Richtung Bundesstraße.
    »Nette Kiste«, kommentierte Sabine kopfschüttelnd, während sie das kleiner werdende Fahrzeug in ihrem Außenspiegel beobachtete.
    »Der ganze Biokram kostet ja auch ein Vermögen«, brummte Angersbach, »kein Wunder, dass die Hautevolee hier ein und aus geht.«
    Die hölzernen Verschläge, hinter denen die Fassade des Hofladens am Vortag verborgen gewesen war, waren nun nach außen geklappt und gaben den Blick auf den hell erleuchteten, einladend dekorierten Verkaufsraum frei. Über dem Eingang prangte ein Schild, auf dem der einprägsame Schriftzug
BIO
gut
stand. Das O wurde von einer Sonnenblume dargestellt, die Buchstaben waren regenbogenfarben.
    Sabine und Ralph verständigten sich darauf, zuerst mit Claudia Reitmeyer zu sprechen, um diese von den Obduktionsergebnissen in Kenntnis zu setzen. Anschließend würden sie Frau Finke einen Besuch abstatten.
    Die Hausherrin empfing die beiden in Schwarz gekleidet, im Hintergrund klingelte das Telefon, doch sie tat das mit einer fahrigen Geste ab. »Wenn ich da jedes Mal ranginge, käme ich heute zu gar nichts. Haben Sie denn etwas herausgefunden?« Ihre Augen musterten die beiden Ermittler fest und aufmerksam, doch an ihrer Stimmlage erkannte die Kommissarin, dass es in Claudias Innerem zu brodeln schien. Trauer, Schmerz, Überforderung und wohl auch die Unsicherheit, was als Nächstes käme.
    »Wir haben gestern Nachmittag der Autopsie beigewohnt«, fasste Angersbach es in einfache Worte, »und es gibt bis dato keine Anzeichen von Fremdverschulden.«
    »Aha, und das bedeutet?«, vergewisserte Claudia sich stirnrunzelnd.
    »Das bedeutet, dass Ihr Vater einem Herzinfarkt erlegen ist, der ihn beim Joggen ereilt hat«, erläuterte Sabine geduldig. »Wobei die Ursache für diesen Infarkt noch nicht abschließend geklärt ist.«
    »Hm.« Claudia Reitmeyer spielte nachdenklich mit einem goldbraunen Ring, dessen Oberseite ein zu einer Eule geschliffener Opal zierte.
    »Gibt es etwas, was Ihnen dazu eingefallen ist?«, hakte Sabine argwöhnisch nach.
    »Nein, natürlich nicht«, kam es

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