Giftspur
hastig zurück. »Er musste es ja immer übertreiben.«
»Ich frage deshalb, weil Sie gestern betont haben, wie durchtrainiert Ihr Vater war. Eine Einschätzung, die auch durch die Obduktion bestätigt wurde. Das macht den plötzlichen Infarkt umso unwahrscheinlicher.«
»Mag sein, aber es trifft doch immer mal wieder jemanden wie aus heiterem Himmel, oder?« Claudia kniff die Augen zusammen. Dann setzte sie nach: »Oder haben
Sie
einen konkreten Verdacht? Dann sagen Sie mir das!« Ihr letzter Satz kam unerwartet fordernd, und Sabine hob sofort beschwichtigend die Hand.
»Aktuell gibt es da nichts, allerdings möchten wir noch Einsicht in die Krankengeschichte Ihres Vaters nehmen. Können Sie uns bitte den Namen seines Hausarztes nennen?«
»Pff, Hausarzt.« Claudia lachte spöttisch auf, und Sabine neigte fragend den Kopf.
»Wenn Sie diesen Guru meinen, dann gebe ich Ihnen gerne seine Anschrift. Aber als Arzt würde ich ihn definitiv nicht bezeichnen. Heilpraktiker nennt er sich offiziell, warten Sie.«
Claudia erhob sich, eilte zu einer mahagonifarbenen Kommode und zog ein Schubfach heraus. Sie kramte kurz raschelnd in den Papieren.
»Sorry, ich finde die Karte nicht«, entschuldigte sie sich, als sie unverrichteter Dinge zurückkehrte. »Aber suchen Sie einmal in Karben nach Reiner Rahnenfeldt. Wenn Sie auf Stichworte wie Schamane oder Kräuterhexer stoßen, sind Sie goldrichtig.« Aus ihrer ablehnenden Haltung machte sie keinen Hehl.
Sabine notierte sich den Namen. »Sie scheinen alternativer Medizin gegenüber nicht besonders aufgeschlossen zu sein.«
»War das eine Frage?«
»Nur eine Feststellung.«
»Sehen Sie sich den Typen einfach an, und urteilen Sie selbst«, erwiderte Claudia schulterzuckend. »Jedem das Seine. Stört es Sie, wenn ich mich nun wieder dem Telefon widme?«
»Nein, wir sind fürs Erste durch. Allerdings werden wir uns noch ein wenig auf dem Hof umsehen, wenn Sie gestatten.«
»Von mir aus. Hauptsache, ich kann mich in Ruhe ums Geschäft kümmern. Ich muss eine Million Telefonate und Mails beantworten und dann die Beerdigung organisieren. Nicht gerade ein angenehmer Wochenstart«, schloss Claudia resigniert.
»Haben Sie jemanden, der Sie unterstützen kann?«
»Ha!« Da war es wieder, das hämische Auflachen, und der Zynismus sprach Bände. »Die Finke heult sich zwar in jeder ruhigen Sekunde die Augen aus, während sich manch anderer ins Fäustchen lachen wird. Aber unterm Strich stehe ich alleine da. Wenigstens das Procedere der Bestattung hat mein Vater schon festgelegt. Er bekommt einen Platz im Friedwald, unter einer Buche, neben meiner Mutter.«
»In Weilrod?«, vergewisserte sich Sabine, denn der Ruheforst im Taunus war der erste und einzige, der ihr in den Sinn kam. Doch Claudia schüttelte voller Abscheu den Kopf.
»Nicht um alles in der Welt! Mein Vater liebte die Natur, aber er wollte nicht im Taunus bestattet werden.
Zu viele Bonzen,
so hat er es immer begründet. Also entschied er sich für den Spessart. Er hat dort, als Mamas Tod absehbar war, einen Familienbaum gekauft.«
»Aha, verstehe«, sagte Sabine. »Kommt Ihr Bruder auch?«
»Nein«, kam es gereizt zurück. »Frederik ist abgetaucht, das sagte ich bereits.«
»
Abgetaucht
ist nicht gerade eine zufriedenstellende Information. Geht es ein wenig präziser?«
Claudia verzog das Gesicht.
»Er verdingt sich als Forscher«, begann sie, und der Klang ihrer Stimme zeigte deutlich ihre Geringschätzung. »Derzeit ist er in Südostasien im Dschungel, und sein Basiscamp ist nur einmal pro Woche besetzt. Sonntags, glaube ich. Wir stehen nicht in regelmäßigem Kontakt.«
»Soll er der Bestattung nicht beiwohnen?«
»Wer sagt uns denn, dass er überhaupt käme?«, gab sie verächtlich zurück. »Frederik hat sich ja bisher auch nicht sonderlich für Familienangelegenheiten interessiert.« Sie seufzte. »Können Sie schon einen Zeitpunkt absehen, wann die ganze Sache abgewickelt werden kann? Ich habe auch so schon alle Hände voll zu tun mit der Organisation der Trauerfeier.«
Angersbach hatte nachdenklich geschwiegen und meldete sich nun zu Wort: »Frau Reitmeyer, wir sprechen bei einer Beerdigung im Friedwald ja von einer Urnenbestattung. Ich kann nicht ausschließen, dass es eine zweite Obduktion geben wird, bevor man einer Verbrennung zustimmt.«
»Wie bitte?« Claudia schnellte nach oben und funkelte den Kommissar empört an. »Wie oft wollen Sie denn noch an meinem Vater herumpfuschen? Das ist ja
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