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Giftspur

Giftspur

Titel: Giftspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Holbe
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zunehmend unrentable Landwirtschaft die Existenz der Milchwirtschaft bedroht. Im Gegenteil. Ab einer gewissen Anzahl von Rindern, und der Tannenhof besaß derzeit zweihundertfünfzig, wurden selbst Dumpingpreise nicht zu einer Bedrohung. Zumindest nicht, wenn die Personalkosten im Rahmen blieben und man nicht auf externe Futterversorgung angewiesen war. Doch diesen Luxus konnten sich nicht viele Höfe leisten. Claudias Vater hatte dafür gesorgt, dass der Tannenhof nach und nach in totale Abhängigkeit von
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geraten war. Erst wurden sie Hauptabnehmer, dann stellten sie die gesamte Produktion auf ökologische Standards um. Just in dem Moment, als die Investitionen am größten und die Erträge am geringsten waren, hatte Ulf den Hebel angesetzt und die Betreiber vor eine bedingungslose Wahl gestellt: Insolvenz oder Übernahme. Und der Tannenhof war nicht der erste Betrieb, der sich für die zweite Option entschieden hatte. Diese Praktiken waren ein offenes Geheimnis. Niemand sprach darüber, jeder wusste davon, aber letzten Endes ging jeder Beteiligte mit einem Sack voller Geld davon.
Stolz muss man sich leisten können.
    »Worüber denkst du nach?«, erklang Gunnars Stimme. Unter seinen Stiefeln knackte der von Nadeln und Zapfen übersäte Boden, er kehrte auf den schmalen Fahrweg zurück, nachdem er sich zum Pinkeln einige Meter in den Wald geschlagen hatte.
    »Die Kaufmann lungert schon seit einer halben Stunde dort herum«, murrte Claudia, nur wenig begeistert, hier in der Kälte zu stehen und die Zeit mit dem widerlichen Knecht totschlagen zu müssen.
    »War mir klar, dass ihr beide euch nicht riechen könnt«, gab Volz lasziv zurück und wollte noch etwas hinzufügen, als Claudia ihn unterbrach.
    »Erspar mir deine Phantasien, okay?«, herrschte sie ihn an.
    »Ist ja gut.« Dann murmelte er grinsend: »Aber nur getroffene Hunde bellen.« Er drehte sich eine Zigarette und lehnte sich ebenfalls an das klobige Geländefahrzeug. Claudia nahm das kleine Fernglas, das um ihren Hals hing, und fixierte das Geschehen auf dem Hof. Knapp zwei Kilometer entfernt spiegelte sich die Sonne auf Sabine Kaufmanns Twizy. Der Waldrand, wo Claudia und Gunnar standen, war etwas höher gelegen, und ihre Position erlaubte einen guten Blick in die Senke, ohne dabei selbst gesehen zu werden.
    Der aromatische Geruch von verbranntem Tabak stieg in Claudias Nase, und sie lugte kurz zu dem Knecht hinüber. Genau genommen war er nicht der Widerling, als den sie ihn meist sah, zumindest nicht optisch. Ein starker Hüne, prädestiniert für die Jagd, also im Grunde das ideale Bild eines Versorgers, von der Evolution begünstigt. Einzig seine geistigen Fähigkeiten ließen zu wünschen übrig. Das, gepaart mit einer Mimik und Gestik, die viel zu oft einem unkontrollierten Lüstling glich, machten ihn ihr so zuwider. Kein Wunder also, dass er zeit seines Lebens nicht geheiratet und eine eigene Existenz aufgebaut hatte. Stattdessen begnügte er sich mit einer dreißig Quadratmeter großen Bude auf einem Anwesen, auf dem er nichts zu melden hatte. Und hier lag Claudias Dilemma. Gunnar Volz wusste von allem und jedem, was auf dem Weidenhof vor sich ging, und dieses Wissen machte ihn zu einem gefährlichen Zeitgenossen.
    Niemand sägt an meinem Thron,
schloss sie grimmig und riss sich das Fernglas vom Hals. Weder Volz noch diese Kaufmann.
    »Komm, wir fahren jetzt runter«, bellte sie entschlossen und stapfte die drei Schritte in Richtung Fahrertür.
    »Jetzt?«, fragte der Knecht verwundert.
    »Die Kaufmann latscht gerade rüber in Köttings Büro, die Fettbacke im Schlepptau. Das lasse ich ihr nicht durchgehen«, knurrte sie.
     
    Ralph Angersbach spülte seinen Kaffeebecher aus und trat vor die billige schwarze Kaffeemaschine, deren Kanne unzählige Kalkränder zierten wie Jahresringe einen Baumstamm. Die schwarze Brühe war heiß, stand vermutlich seit Stunden auf der Heizplatte und verströmte einen säuerlichen Geruch. Entsprechend bitter würde sie auch schmecken, schlussfolgerte der Kommissar, doch er brauchte jetzt eine Dosis Koffein. Nichts war ermüdender als Schreibtischarbeit, und seine Zunge fühlte sich schwer und trocken an von den vielen Telefonaten, die er geführt hatte. Eine Stunde noch, dann konnte er endlich aufbrechen zu Dr. Elsass, jenem Mitarbeiter Ulf Reitmeyers, der ihn womöglich als Letzter lebend gesehen hatte. Seit zwei Tagen wollte er das schon tun, doch einerseits schien der Wissenschaftler sich nie länger als

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