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Giftspur

Giftspur

Titel: Giftspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Holbe
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Kommissarin, überrascht von der Schlagfertigkeit des Jungen.
    »Kötting fehlt – keiner weiß Bescheid – Polizei taucht auf«, zählte Martin an seinen Fingern ab. »Jede Krimiserie läuft nach diesem Schema ab.« Er grinste schief. »Habe ich ins Schwarze getroffen?«
    »Sieht ganz so aus. Aber mehr wird nicht verraten, jetzt möchte ich zuallererst ins Büro.«
    »Klar, das Verhör beim Chef. Ganz wie im Fernsehen«, feixte der Junge. »Aber ich bleibe in der Nähe!«
    »Pass bloß auf, dass du nicht wieder in unsere Mühlen kommst«, zwinkerte Sabine ihm verschwörerisch zu, was Martin unwillkürlich zusammenzucken ließ. Doch dann erkannte er, dass das Ganze nicht als Drohung gemeint war, und wandte sich ab. Er schlenderte auf eine Schubkarre zu und setzte sich pfeifend mit ihr in Richtung Stall in Bewegung. Aufgeregtes Muhen, auf der Schubkarre befand sich frisches Heu, dann war er aus dem Blickfeld der Kommissarin verschwunden.
    Er wird seinen Weg gehen,
dachte sie und klopfte an die weißlackierte Metalltür.
Hoffentlich den richtigen
 … Sie drückte die Klinke hinunter, und mit einem Knarren schwang das Türblatt nach innen. Sabine klopfte ihre Schuhe auf dem Gitter ab und stand im nächsten Moment auf grau gesprenkeltem PVC . Ein funktioneller Bodenbelag, nicht unähnlich dem, der auch in der Polizeistation verlegt war. Hinter einem Schreibtisch aus billigem Pressspan, den Oberkörper nach vorn gebeugt und mit den Ellbogen auf der Tischplatte, erwartete sie ein drei Zentner schwerer Mann. Sein Gesicht glich dem eines Metzgers, sowohl von der Mimik als auch der verräterisch glänzenden Rötung auf Wangen und Hals her. Schweißperlen lagen unter dem Haaransatz, seine Frisur war strähnig und wirkte wie aufgeklebt. Seine prankenhaften Hände erinnerten an aufgeblasene, fleischfarbene Einweghandschuhe, und am linken Ringfinger, eingesunken wie eine Schnur, mit der man Würste abband, lugte ein goldener Ehering hervor. Alles in allem eine wenig sympathische Erscheinung. Doch als er zu sprechen begann, verflog Sabines Unbehagen.
    »Ja, bitte?«, säuselte es, und die Stimme glich dem ungebrochenen Tenor eines Knaben, sanft und voller Güte.
    Erneut stellte die Kommissarin sich vor, und bei der Erwähnung des Wortes
Kriminalpolizei
wurden die Augen ihres Gegenübers traurig.
    »Malte, nicht wahr?«, fragte er leise, und Sabine nickte.
    »Sie wissen Bescheid?«, vergewisserte sie sich.
    »Frau Reitmeyer hat angerufen, ja. Was ist passiert?«
    »Hat sie das nicht erwähnt?«, wunderte sich die Kommissarin. »Herr Kötting wurde tot in seiner Wohnung aufgefunden.«
    Von dem fleischigen Ungetüm war kaum mehr übrig als ein kleinlautes Häufchen Elend, und Sabine erkundigte sich weiter: »Ihnen scheint der Tod Ihres Mitarbeiters ziemlich nahezugehen.«
    »Wir waren gute Freunde, ja«, wisperte der Mann, und Sabines Blick wanderte derweil in dem Bürocontainer umher. Neonlicht, billige Möblierung, ein typischer Behelfsraum. Die Frage war nur, warum das Büro eines millionenschweren Betriebs, das ja immerhin so etwas wie ein Aushängeschild war, in einem derartigen Verschlag untergebracht war.
    »Malte und ich kannten uns schon lange, bevor Reitmeyer sich den Betrieb hier unter den Nagel gerissen hat.«
    »Wann war das genau?«
    »In den Neunzigern, ich müsste nachschlagen. Ist das denn von Belang?«
    »Nicht zwangsläufig, aber wir stehen auch noch ganz am Anfang unserer Ermittlung«, antwortete Sabine wahrheitsgemäß.
Und wir wissen noch nicht einmal, ob wir es überhaupt mit einem Verbrechen zu tun haben,
ergänzte sie insgeheim resigniert. »Wenn Sie sagen, dass Sie Herrn Kötting schon so lange kennen, wissen Sie dann auch von Konflikten, Streit oder Animositäten?«
    »Nein«, erwiderte ihr Gegenüber und schüttelte energisch den Kopf.
    »Nichts? Auch nicht außerhalb des Betriebs? Vielleicht eine verschmähte Liebschaft oder dergleichen?«
    »Hören Sie«, entgegnete der Mann, und erst in diesem Augenblick wurde der Kommissarin bewusst, dass sie ihn nicht nach seinem Namen gefragt hatte. »Malte Kötting war hier so etwas wie meine rechte Hand, der Vizechef, der Vertrauensmann, wie auch immer man es bezeichnen mag. Inklusive mir selbst gab es auf dem Hof keinen beliebteren Menschen als ihn. Sein Verlust trifft mich nicht nur persönlich, er wird dem gesamten Betrieb schaden. Da können Sie jeden fragen.«
    »Das müssen wir eventuell auch tun«, murmelte Sabine, während sie die Worte auf sich

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