Giftspur
jemand anders kümmern. Oder gehen Sie davon aus, dass der Bio-Betrug und einer der Todesfälle in kausalem Zusammenhang stehen?«
»Kausal?« Moreno kratzte sich am Kopf. »Nein, dafür war das Ganze viel zu gut gedeckelt. Der Transporter kam, dann wurde der Schlauch angeschlossen, und er pumpte die Milch für den Abtransport ab. Dass sich vorher eine Ladung Milch im Inneren befand, deren Herkunft alles andere als öko-zertifiziert war, bekam niemand mit. Das lief so routiniert ab, dass niemand Verdacht schöpfte.«
Stefan Moreno vermied es geflissentlich, Namen zu nennen.
»Der Fahrer war ein Landsmann von Ihnen, nicht wahr?«, warf Angersbach prompt dazwischen.
»Ja, und?«
»Er hat den Tankwagen am Montag in die Nidda entleert und sich mittlerweile nach Spanien abgesetzt. Sehr praktisch.«
»Werfen Sie jetzt allen Spaniern vor, in Betrügereien verwickelt zu sein?«, entgegnete Moreno schnippisch. »Weil wir uns alle kennen, oder wie?«
»Kein Grund, pampig zu werden«, konterte Angersbach, und Sabine verzog das Gesicht. Hoffentlich schlug er mit seinem ungestümen Vorstoß nicht jene Tür zu, die sich gerade erst geöffnet hatte.
»Es ging uns nur darum, dass im Hintergrund sehr schnell agiert wurde«, sagte sie eilig, »und jemanden, der nicht im Lande weilt, kann man schlecht befragen. Was können Sie uns über Herrn Alvaro sagen?«
»Ramon fuhr den Lkw und wartete in angemessener Entfernung auf grünes Licht. Das bekam er direkt vom Boss.«
»Von Reitmeyer.«
»Oder von jemand anderem mit Entscheidungsbefugnis«, wich Moreno aus.
»Gehörten
Sie
zu diesem auserwählten Zirkel?«, erkundigte sich Angersbach wie beiläufig.
»Selbst wenn«, murrte Moreno, »das hätte sich seit der Kündigung ja erledigt, oder?«
»Weshalb wurden Sie gekündigt?«
»Das weiß ich selbst nicht so genau.«
»Vielleicht wollte Reitmeyer sich ja seiner Mitwisser entledigen?«, bohrte Angersbach.
»Es hieß, dass wir neue Anlagen bekämen«, wandte Moreno stirnrunzelnd ein. »Ich habe mich mit der Abfindung zufriedengegeben. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.«
»In Ordnung«, gestand Sabine ihm zu, »dann weiter im Text. Ich gehe davon aus, das Signal am Montag ist ausgeblieben?«
»Scheint so. Reitmeyer konnte es ja schlecht geben und ohne seine Autorisierung auch niemand anderes. Die Absprache war ganz simpel. Kommt kein Anruf, weg mit der Brühe. Ich hab’s in der Zeitung gelesen«, fügte Moreno dann kopfschüttelnd hinzu. »Drei Kilometer weiter hätte er es in einen Klärschacht ablassen können, dieser Idiot. Was passiert mit ihm?«
»Vermutlich eine Geldstrafe«, erwiderte die Kommissarin achselzuckend.
»Und was ist mit mir? Bekomme ich einen Deal?«
Sabine warf Angersbach einen vielsagenden Blick zu, den dieser offensichtlich richtig deutete. Er nickte und brummte: »Liefern Sie uns Informationen, und wir werden das entsprechend honorieren.«
»Außerdem hätten wir gerne noch Ihr Alibi von Samstagnacht geprüft«, knüpfte Sabine unschuldig lächelnd an.
»Also doch verdächtig.«
»Nicht mehr als einige andere auch.«
»Hm. Ich war mit einer Freundin im Kino und in einer Bar. Das Ticket habe ich vielleicht noch.« Er deutete an den beiden vorbei in Richtung Flur und wollte schon aufstehen, doch Sabine bremste ihn aus.
»Die Kontaktdaten Ihrer Freundin würden uns fürs Erste genügen.«
»Moment.«
Stefan Moreno eilte hinaus, kramte raschelnd in diversen Jackentaschen und einer Schublade herum und kehrte dann mit einer handschriftlichen Notiz und einem abgerissenen Ticket des Kinopolis in Hanau zurück.
»Ich habe sogar einen Beweis«, lächelte er, und Angersbach warf einen prüfenden Blick auf die Papierschnipsel.
»Wir prüfen das, danke.«
Die Kommissare verabschiedeten sich, führten beide jeweils ein kurzes Telefonat und machten sich dann auf den Weg zu Vera Finke.
Claudia Reitmeyer schloss für einen Moment lang die Lider in dem verzweifelten Versuch, der Realität für einige Sekunden zu entfliehen. Vielleicht ist es weg, wenn ich die Augen wieder öffne. In Luft aufgelöst, entmaterialisiert, ins Nirwana berufen. Dabei wusste sie natürlich, dass das nicht passieren würde. Das nach Klebstoff riechende Papier, dessen aufgeklebte Lettern und Wortfragmente in grellen Farben leuchteten. Beim Zusammenfalten der Seite musste der Klebstoff noch feucht gewesen sein, ein Indiz für stümperhaftes Arbeiten, denn zwei Papierfetzen hatten aneinandergeklebt und wiesen nun Rissspuren
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