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Giftspur

Giftspur

Titel: Giftspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Holbe
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schönes Leben zu zweit? Oder zu dritt oder zu viert, nein, mit einem ganzen Stall von Kindern?«, erwiderte Angersbach knallhart, und Vera zuckte zusammen. In ihrem Gesicht machte sich Verunsicherung breit.
    »Was meinen Sie damit?« Ihre Augen begannen, unruhig hin und her zu wandern.
    »Wollten Sie mit Ulf denn keine Kinder?«
    »Wie … wie kommen Sie darauf?«, stammelte sie.
    »Hintergrundrecherche«, sagte Ralph kalt.
    »Hat mein Mann etwa …?«
    »Ihr Mann weiß davon?«
    »Nein, ich dachte nicht. Aber wer hat denn sonst etwas gesagt?« Ihre Stimme bebte.
    »Ich formuliere Ihre Frage einmal anders: Wer wusste denn davon?«, bot Angersbach ihr einen Ausweg.
    »Nur Ulf und ich«, antwortete Vera leise und schluckte schwer. »Das Ganze ist schon viele Jahre her. Dieses Kind konnte nicht sein.
Durfte
nicht sein. Aber ich möchte nicht weiter darüber sprechen.«
    »Hat Reitmeyer Sie zum Abbruch der Schwangerschaft gedrängt?«
    »Muss ich darauf antworten?«
    »Sie sollten«, nickte Sabine.
    »Er hat den Eingriff bezahlt, alles Nötige veranlasst und mich sogar begleitet. Genügt das?«
    »Fürs Erste. Haben Sie ihn dafür gehasst?«
    »Ich habe ihn geliebt.« Vera schluckte schwer und schniefte. Tränen stiegen ihr in die Augen, und sie rieb sich die Feuchtigkeit mit den Mittelfingern aus den Augenwinkeln. Nach einigen Sekunden presste sie hervor: »Und ich habe ihn nicht getötet!«
    »Was können Sie uns über Unregelmäßigkeiten in dem Betrieb sagen?«, fragte Sabine nach einer Minute des Schweigens. Vera hatte sich die Nase geschneuzt und war etwas ruhiger geworden. Ihr Blick schien ins Leere gerichtet zu sein.
    Ralph musterte sie nachdenklich und konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass diese Frau eine kaltblütige Mörderin war.
    Keine Doppelmörderin zumindest.
    »Unregelmäßigkeiten?«
    »Sie wissen, wovon wir sprechen, Frau Finke«, drängte Ralph.
    »Ich werde mich nicht selbst belasten.«
    »Hatten Sie nicht eingangs gesagt, wir könnten Sie alles fragen?« Sabine beugte sich vor, und Vera Finke kniff die Augen zusammen.
    »Fragen ja«, konterte sie.
    »Dann rechnen Sie es sich doch mal aus«, sprach die Kommissarin sachlich weiter und zählte die beiden Optionen an den Fingern ab. »Entweder Sie verweigern Ihre Kooperation, dann gibt’s aber auch später keinen Deal mit der Staatsanwaltschaft. Oder Sie packen über die Machenschaften des Biobetriebs aus, und wir behandeln Sie als wertvolle Zeugin.«
    »Kooperation wirkt ungemein entlastend«, lächelte Angersbach.
    »Sie haben das aufgezeichnet?«, vergewisserte Vera sich und nickte in Richtung der Kamera. »Denn dann nehme ich es als amtliches Versprechen. Unterschätzen Sie nicht meinen Anwalt!«
    Überschätze ihn mal lieber nicht,
dachte Ralph grimmig.
    »Deal ist Deal«, bekräftigte er. »Wer zuerst auspackt, bekommt den besten.«
    »Wir sprechen von dem spanischen Gemüse, nehme ich an?«
    »Sagen
Sie
es uns.«
    »Ja, in Ordnung. Ein Teil unserer Produkte kommt von der Costa de Almería.«
    »Almería, das Plastikmeer in Spanien?«, hakte Ralph nach. Er wusste, dass ein Großteil des europäischen Gemüsebedarfs von dort gedeckt wurde. Tomaten, deren Mutterpflanzen in Substrat steckten und tagtäglich dieselbe Menge an Nähr- und Düngelösung erhielten. Im Grunde war Almería
das
Sinnbild einer ins Absurde driftenden Nahrungsmittelindustrie. In Europa wurde so viel Obst und Gemüse gegessen wie niemals in der Menschheitsgeschichte zuvor. Doch das, was dort unter dem staubigen Grau der flatternden Foliendächer wuchs, war mit den Pflanzen aus heimischem Anbau nicht zu vergleichen. Paprika, deren Form und Farbe man mit Normtabellen messen konnte und die primär nach Wasser schmeckte. Tomaten, deren spezifisches Gewicht höher war als irgendwo sonst. Doch der Geschmack, der Nährstoffgehalt, das Aroma – die
Essenz
eines guten Gemüses: unwiederbringlich verloren. Stattdessen Schwarzarbeit, Billiglöhne und illegale Einwanderer aus Nordafrika, die wie Sklaven lebten. Stets im Schatten der Planen, in schmutziger, mit Schadstoffen überladener Atmosphäre, angefeindet von arbeitslosen Einheimischen, denen sie Löhne und Anstellungen ruinierten. Nicht selten wurde einer der Illegalen totgeschlagen, doch es kamen täglich neue. In den bunten Werbeheften der namhaften Discountketten schlugen sich diese Dinge nicht nieder. Nicht, solange die Lastwagen rollten und die begehrten Produkte aus dem Land der Sonne bergeweise

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