Giftspur
noch einmal ab.«
Mit einem großen Fragezeichen auf der Miene leistete diese der Aufforderung Folge.
»Und nun?«
»Aktualisieren Sie Ihren Posteingang.«
Claudia klickte einmal auf die Taste des Trackpads.
»Nichts.«
»Noch mal, klicken Sie ruhig mehrmals«, sagte Sabine geduldig, und Ralph Angersbach räusperte sich.
»Was bezwecken Sie denn damit?«
Bing!
Das erlösende Klingeln machte dem Warten ein Ende.
»Die gleiche Antwort«, kommentierte Claudia Reitmeyer nach einem weiteren Klick.
»Haargenau dieselbe, will ich meinen«, lächelte die Kommissarin und erklärte dann ihren bestätigten Verdacht: »Der Typ verwendet einen Autoresponder. Er weiß nun, egal, wann er sich wieder einloggt, dass Sie seine Mail erhalten haben. Und er weiß, dass Sie seinen Brief entweder bereits gelesen haben oder spätestens jetzt zum Postkasten eilen würden.«
»Aber wozu das Ganze?«, stöhnte Claudia und rieb sich die blassen Schläfen. Dabei verzogen sich die feinen Lachfältchen, die in ihren Augenwinkeln lagen, zu traurigen Krähenfüßen.
»Zweifelsohne werden Sie in Bälde eine konkrete Lösegeldforderung erhalten«, schloss Angersbach, »und ich kann Ihnen nur dringend dazu raten, uns weiterhin im Boot zu belassen.«
»Aber wenn er tatsächlich ein Giftmischer ist«, widersprach Claudia mit zitternder Stimme, »wäre es dann nicht gefährlich, sich ihm zu widersetzen?«
»Dieses Risiko besteht natürlich«, gestand Sabine ihr zu, »aber ich frage einmal andersherum. Was, wenn er das Geld kassiert und sein Gift danach trotzdem freisetzt?«
»Das sehe ich genauso.« Angersbach bekräftigte den Einwand seiner Kollegin so schnell, dass Claudia kaum eine Gelegenheit zum Widersprechen hatte. »Wir dürfen nichts unversucht lassen, diesen Typen in die Finger zu bekommen.«
»Und wie wollen Sie das anstellen?«
»Wir organisieren alles Erforderliche«, antwortete Sabine, »also Computerüberwachung, Telefon et cetera. Dabei werden wir uns natürlich auf den Tannenhof fokussieren, denn dort befindet sich Ihre Milchproduktion. Aber das wird nicht unsere einziger Ansatzpunkt sein. Vertrauen Sie bitte auf unsere Experten, und kooperieren Sie mit ihnen. Das Wichtigste für Sie dabei ist, dass Sie sich so normal wie möglich verhalten.«
»Normal?« Es hätte kaum zynischer klingen können. Claudia fasste sich an den Kopf und wiederholte mit weit aufgerissenen Augen: »Wie kann ich mich denn
normal
verhalten?! Mein Vater ist tot, und in meinem Betrieb werden Lebensmittel vergiftet, ja
hallo?!
« Auf ihrer Stirn hatten sich Schweißperlen gebildet.
»Auch wenn Sie es in diesem Moment nicht glauben wollen«, sagte Sabine und versuchte, ermutigend zu klingen, »aber genau hierin liegt Ihre größte Stärke. Der Tod Ihres Vaters erklärt den Ausnahmezustand, der hier herrscht. Ich schätze den letzten Satz der E-Mail also nicht als große Gefahr ein.«
»Hä? Ich verstehe nur Bahnhof.«
»Sie sollen keine Polizei auf die Erpressung ansetzen. Das ist damit gemeint. Von der Überwachung muss dieser
Paracelsus
ja nichts mitbekommen, und wir gehören seit dem Wochenende praktisch zum Inventar. So schlau dürfte selbst der dümmste Erpresser sein, dass im Zuge einer Mordermittlung nicht auf Kommando alles stehen und liegen gelassen wird.«
»Hm, ich weiß nicht.« Claudia Reitmeyer wirkte alles andere als überzeugt. »Halten Sie Paracelsus denn für dumm? Im Übrigen: War Paracelsus nicht ein Heiler?«
»Stimmt.« Sabine lächelte. Gerade aufgrund der Namenswahl hielt sie den anonymen Schreiber für ganz und gar nicht dumm. Sie wollte das Frau Reitmeyer gegenüber jedoch nicht preisgeben. »Dumm wäre zu viel gesagt. Aber rein statistisch betrachtet weisen Erpressungsversuche eine relativ geringe Erfolgsbilanz auf. Und Paracelsus hat, bei aller aufgesetzten Gerissenheit, schon mindestens zwei kapitale Fehler begangen.«
»Und die wären?«
»Er hat getötet,
bevor
er seine Forderungen stellte.«
»Ja, zweimal. Das waren die Fehler? Oder kommt da noch mehr?«
»Er hat sich dadurch mit uns angelegt«, schloss Sabine Kaufmann grimmig, und in ihren Augen funkelte es angriffslustig. »Ich gehöre selbst zu den Konsumenten von
BIOgut
-Milch und nehme das Ganze daher persönlich.«
Anstatt in der Dienststelle zu verharren, bis die neuen Beweismittel analysiert und ausgewertet wurden, entschlossen sich die beiden Kommissare nach einer kurzen Besprechung zu einer weiteren Vernehmung. Schon auf dem Weg zum Haus der
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