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Giftspur

Giftspur

Titel: Giftspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Holbe
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Todeszeitpunkt und das Präparieren einer letalen Dosis können Stunden oder sogar Tage auseinanderliegen.«
    »Ja … also …« Anselm Finkes Hände begannen einen verzweifelten Ringkampf, und in seinem Kopf mussten verzweifelte Erklärungsmodelle wie Tischtennisbälle hin und her rasen, bis er weiterstammelte. »Das ist doch alles, ähm, Bullshit. Was ist mit dem anderen? Köttich?«
    »Kötting.«
    Gab er vor, den Namen nicht zu kennen? Oder kannte er ihn wirklich nicht?
    »Ja, den meine ich. Haben Sie für Kötting auch eine so wundervolle Theorie?«
    »Kötting erwischt Ihre Frau beim Umetikettieren von Billiggemüse zu Ökoware. Wer einmal tötet …«
    Damit schien der Bogen endgültig überspannt zu sein. Mit hochrotem Kopf sprang Anselm auf.
    »Raus!« Ein Nieselregen von Speichel ging auf Sabine nieder, und erschrocken kauerte sie, noch winziger als zuvor, auf ihrem Hocker.
    »Beruhigen Sie sich«, erklang Angersbachs Stimme lautstark, aber ohne Drohgebärde. »Nur weil eine Hypothese absurd klingen mag, heißt das nicht, dass wir nicht darüber reden dürfen.«
    »All Ihre
Hypothesen
«, Anselm formte diesen Begriff voller Ekel, »beinhalten einen entscheidenden Fehler. Meine Frau
ist
keine Doppelmörderin.«
    »Die Sache mit den Lebensmitteln und der Affäre stimmen aber trotzdem«, beharrte Angersbach.
    »Na und?«
    Wieder ein Punkt, den es abzuhaken galt. Finke echauffierte sich nicht über den Vorwurf des Lebensmittelbetrugs. Er wusste demnach davon. Das machte die beiden zu einem Ehepaar, die offensichtlich mehr miteinander teilten als die durchschnittlichen sieben Minuten belangloser Konversation, welche eine statistische Untersuchung von Paaren vor einigen Jahren ergeben hatte.
    »Sie wussten von dem Gemüsebetrug?«, erkundigte sich die Kommissarin dennoch.
    »Kein Kommentar.«
    »Wenn wir Ihre Frau aus unseren Gleichungen streichen«, begann Angersbach, während er sich erhob und auf den mittlerweile an einer Tischkante lehnenden Ehemann zuschritt, »wen sollen wir denn Ihrer Meinung nach stattdessen einsetzen. Sie?« Angersbachs Zeigefinger bohrte ein Loch durch die Luft, leicht im Kreise schwingend, wie eine Luft-Luft-Rakete, die sich auf ihr Ziel justiert. Zwanzig Zentimeter vor Finkes Brustkorb verharrte sein Nagel, und die Augen des Kommissars blitzten Rumpelstilzchen fragend an. Überrumpelt und der Tischplatte wegen nicht dazu fähig, zurückzuweichen, schluckte dieser, und sein Kopf bewegte sich einige Zentimeter nach hinten.
    »Warum denn ich?«
    Angersbach zischte. »Kötting
bedroht
Ihre Frau, Reitmeyer
vögelt
Ihre Frau – reicht das nicht aus?«
    Höchste Zeit, zu intervenieren. Sabine Kaufmann schnellte nach oben und trat neben ihren Kollegen.
    »Okay, ich denke, das genügt«, sagte sie mit einer auffordernden Handgeste und gebot Angersbach mit einem dezenten Nicken, einige Zentimeter nach hinten zu treten. Sie wandte sich an Anselm Finke: »Ich hoffe, Sie haben die Situation, in der wir alle uns befinden, nun erkannt. Als Ehepartner müssen Sie nicht gegeneinander aussagen, denn es gilt das Zeugnisverweigerungsrecht. Sie dürfen jedoch
füreinander
aussagen. Allerdings, und das wird dabei gerne vergessen, dürfen Sie für Ihre Frau nicht lügen. Und vor Gericht werden entlastende Statements von Ehepartnern natürlich sehr kritisch geprüft. Wir lassen Sie jetzt allein, Ihre Frau bleibt in Haft. Nutzen Sie die Gelegenheit und denken in Ruhe über alles nach. Wenn Sie uns etwas zu sagen haben, melden Sie sich wieder.«
    »Worauf wollen Sie hinaus?« Der Argwohn war nicht zu überhören. Anselm Finke hatte es nun in der Hand. War er an den Morden beteiligt, so konnte er seine Frau nur schützen, wenn er die Schuld auf sich nahm. War sie die alleinige Täterin, konnte er sie schmorenlassen. Falls keiner es war, würde der Anwalt in Kürze mit Tiraden und Pamphleten über sie herfallen.
    »Fragen Sie Ihren Rechtsvertreter«, lächelte Sabine daher nur.
     
    Wolfram Berndt war Forensiker, und weder Angersbach noch Kaufmann hatten bisher mit ihm zu tun gehabt. Seine Stirn war breit, der Haaransatz hoch, und mit einer gewissen Boshaftigkeit hatte Mirco Weitzel ihn als typischen Nerd bezeichnet. Eine schlohweiße Haarsträhne ragte aus dem glanzlosen braunen Haar und bot Raum für Spekulationen. Mirco war sich sicher, dass es sich dabei um Stigmata aus der geheimnisvollen Welt der Online-Rollenspiele handelte, doch der Wahrscheinlichkeit nach handelte es sich wohl eher um eine simple

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