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Giftweizen

Giftweizen

Titel: Giftweizen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Schroll
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Nachbardorf.«
Judith meinte: »Wir unterhalten uns morgen mit Ahlsens, wenn er sich etwas erholt hat. Ich fahre jetzt erst mal nach Gardelegen und sehe, was sich Neues ergeben hat.« Sie sah auf die Uhr. »In ein paar Minuten kommt der Bus.«
»Ich werde die Zeit nutzen, um meinen Bericht über unseren Vormittag zu schreiben«, fügte sich Walter, wenig begeistert, seinen Plichten, »und nehme gleich noch Lauras Zeugenaussage auf. Immerhin war sie dabei.«
Laura nickte. »Aber mach das bitte gleich als Erstes. Tante Irmgard wartet sicher schon ungeduldig auf mich, und dann will ich endlich zu Astrid und der Kleinen.«
»Und befrag bitte auch noch diesen Treckerfahrer, der euch so halsbrecherisch angehalten hat«, ergänzte Judith seine Aufgabenliste. Sie stand auf, verschwand kurz zum Bezahlen in der Gaststätte und ging dann die wenigen Schritte zur Bushaltestelle.

    ~ 9 ~
     
    Jetzt, am frühen Nachmittag, füllte sich der Bus in Richtung Kreisstadt an jeder Haltestelle nur mit ein paar Leuten.
Judith Brunner hatte sich ziemlich in der Mitte des Fahrzeuges einen Platz am Gang gesucht und konnte von hier aus das Treiben mit Muße beobachten.
Das Einsteigen, vorne über die zwei sehr hohen Stufen, war für viele der älteren Passagiere recht beschwerlich. Die meisten hatten das abgezählte Fahrgeld in der Hand und der Busfahrer konnte in der Regel nach dem Kassieren zügig weiterfahren.
In Estedt allerdings gedachte eine etwas schmuddlig wirkende Frau, eine Kiepe, von der ein ziemlich strenger Geruch ausging, mitzunehmen. Ein altes Geschirrtuch war über den Korb gebreitet. Als die Frau ihn neben sich abstellte, um zu bezahlen, wurde der Inhalt mit einem fiepsigen Geräusch lebendig und durchstieß mühelos die nur lose aufgelegte Bedeckung. Mit Beteiligung einiger Mitfahrer und viel gutem Zureden der Hundebesitzerin war der tapsige, sandbraune Welpe bald wieder eingefangen. Der Busfahrer war offensichtlich nicht begeistert, das vermutlich noch nicht stubenreine Tierchen zu transportieren, so unnachgiebig und abweisend besah er die Kiepe, aus der die zwei sichtbaren Pfötchen bereits einen erneuten Befreiungsversuch ankündigten. Doch als die Frau dann bat: »Iss man bloß eene Station«, ließ er sich erweichen und war sichtlich erleichtert, als beide den Bus tatsächlich in Berge verließen. Das ersparte ihm womöglich weitere Zwischenfälle.
Wahrscheinlich hatte Judith Brunner als Einzige bemerkt, dass die Frau in dem ganzen von ihr beziehungsweise ihrem Tier verursachten Durcheinander den Fahrpreis nicht bezahlt hatte. Ob die beiden öfter zusammen verreisten?
Die ausschließlich einheimischen Mitfahrer hatten sich vor der Sitzplatzwahl zumeist lautstark begrüßt und klärten sich ungeniert quer durch den Bus über ihre Vorhaben in Gardelegen auf. In der Altmark fuhr man nicht schweigend Bus. In einer halben Stunde würden die Geschäfte in der Stadt wieder öffnen und notwendige Besorgungen konnten gemacht werden. Einige wollten zur Genossenschaftsbank, andere zum Arzt. Alle hofften nur, rechtzeitig mit ihren Angelegenheiten fertig zu sein, schließlich wollten sie noch den letzten Bus zurück auf die Dörfer schaffen.
Judith Brunner mochte die Altmärker, weil sie gut zu ihrer Landschaft passten. Sie waren ursprünglich, ehrlich und treu im Sinne einer verlässlichen Beständigkeit. Einer guten Küche zugetan, hatten sie es geschafft, sich allen Schönheitsidealen und Moden zu verweigern, und nahmen mit Genuss zu sich, was der fruchtbare Boden und ihre Viehwirtschaft hergaben.
Eine Zeit lang war der Platz neben Judith leer geblieben, doch nun kam ächzend eine ältere Frau auf sie zu, die sonst wohl keinen Bekannten zum Schwatzen erblickt hatte. Also nahm sie mit der fremden, hübschen Frau, die bereitwillig auf den Fensterplatz gerutscht war, vorlieb. »Muss mich sachte setzten. Der Rücken.«
»Aha«, machte Judith und hoffte, mitfühlend auszusehen.
Ungezwungen begann die Frau, Judith auszuhorchen: »Wo fahren Sie denn hin?«
»Zur Arbeit.«
Judith wurde von Kopf bis Fuß gemustert, soweit das im Sitzen auf der Busbank möglich war. Jedoch ließ ihre Kleidung – dunkelblaue Cordhose, silbergrauer Pulli, tiefviolette Wolljacke, dazu ein fein gestreiftes Seidentuch um den Hals – keine deutbaren Rückschlüsse zu. »Jetzt noch? Was arbeiten Sie denn?«, folgte konsequent die Frage.
»Ich bin bei der Polizei.«
»Und da fahren Sie im Bus?« Ihre Auskunft rief erstaunlicherweise keine der üblichen

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