Giftweizen
Näherkommen genau erkennen.
Sie winkte ihrer Freundin zu, die ihr Töchterlein rasch vor einem heransprintenden Stürmer in Sicherheit brachte und ihr freudestrahlend entgegenkam. Herzlich umarmten sich die Frauen und Laura knuddelte die Kleine, die vor Vergnügen quiekste.
»Komm, gehen wir rein. Ist sowieso Zeit fürs Abendessen«, lud Astrid ein.
Die Küche vom Gutshaus war angenehm temperiert und das vorgewärmte Wasser auf dem Herd wurde schnell zum Kochen gebracht. »Ich mach uns erst mal einen Tee und setze gleich die Eier auf. Wenn du Ella inzwischen bitte ausziehst?«
Nichts leichter als das, dachte Laura. Doch das kleine Mädchen krabbelte stattdessen auf einen großen Korb mit Feuerholz am Herd zu. Laura lockte sie, mit der Plüschmaus wackelnd, zurück. Das neue Spielzeug erzielte die gewünschte Wirkung und so konnte sie Ella, die kurzerhand ein intensives Kleinkindgespräch mit der Maus anfing, sacht auf ihren Schoß nehmen.
Dann übergab Laura ihr Geschenk an Astrid. Sie tranken duftenden Kräutertee und genossen den wunderbaren Moment des Wiedersehens. »Du siehst toll aus«, freute sich Laura.
»Es geht mir auch gut: Manchmal denke ich, so gut wie jetzt ging es mir noch nie«, bekannte Astrid freimütig.
Offenbar hatte die Maus ihrer Besitzerin widersprochen, denn Ella war sichtlich unzufrieden mit dem Tier und schimpfte unüberhörbar los. Als auch das nichts half, flog die Maus Astrid rigoros vor die Füße. Das gefiel der kleinen Werferin allerdings auch nicht und noch lautstärker wurde das Spielzeug zurückgefordert. Kaum hatte Ella das Plüschtier wieder in den Händen, wurde die Maus kurz an das Bäuchlein gedrückt und die Unterhaltung der beiden setzte von Neuem ein.
Klein Ella machte ihrer Mama große Freude, wie Laura den vielen stolzen und ausführlichen Briefen mit den begeisterten Schilderungen aller kindlichen Heldentaten entnehmen konnte. Sie spürte beim Lesen Astrids neues Lebensglück stets durch jede einzelne Zeile.
Es tat Laura gut zu wissen, dass ihre Freundin so unerwartet souverän mit der neuen Situation als ledige Mutter zurechtkam. Vielleicht half auch, dass Astrid sich offen und unvoreingenommen mit Elvira Bauer, die durch Leons Liebe zu ihr und ihren Kindern ganz selbstverständlich im Ahlsensschen Alltag präsent geworden war, angefreundet hatte – sodass nun deren achtjähriges Töchterchen Dany im Gutshaus ein und aus ging und sich hier stundenlang mit Ella vergnügte.
Die beiden Freundinnen begannen beim Tischdecken, die aktuellen Alltäglichkeiten und den neuesten Dorftratsch auszutauschen. Natürlich wurden auch die gefundenen Hände kurz erwähnt. Aber es sollte ein schöner Abend werden, daher kamen sie schnell überein, die unappetitlichen Ereignisse des Vormittags ein andermal ausführlicher zu bereden.
»Wie geht es denn mit euren vielen Vorhaben voran?«, fragte Laura interessiert. Astrid hatte ihr ausführlich geschrieben, wie die Gutsanlagen umgestaltet werden sollten.
»Eigentlich ganz passabel, doch wir sind mit dem Abriss etwas im Verzug. Die Container sind noch nicht da.«
Astrid sprach von einem maroden, barackenartigen Gebäuderiegel, der das untere Gutsgelände nach Norden begrenzte und ursprünglich aus drei einfachen, fast baufälligen Wohnungen bestand. Erst hatten sie überlegt, die Wohnbaracke als Wirtschaftsgebäude zu nutzen, doch in Anbetracht der Dinge, die sich dort abgespielt hatten, wurde dieser Plan schnell wieder verworfen. So entschlossen sich die Ahlsens zum Abriss und würden für die Geräte und die anderen üblichen Gärtnereiutensilien einen Neubau errichten. All das organisierte und betreute Leon nun mit einem enormen Engagement.
Das Plaudern über die Zukunft des Gutes, das schmackhafte Essen, ein Glas Portwein und das immer ruhiger werdende Plappern von Ella ließen die Freundinnen die Zeit vergessen. Als der Mond schon über den Parkbäumen leuchtete, verabschiedete sich Laura und ging seelenfroh nach Hause, gewiss, dass die Freude den Weg in Astrids Herz zurückgefunden hatte.
Sonnabend
~ 14 ~
Für den Vormittag hatte Judith Brunner sich einiges vorgenommen. Zunächst fuhr sie in ihre Dienststelle, um Ermittlungsergebnisse auszutauschen und mit ihren Mitarbeitern die Aufgaben des Tages zu besprechen. Wochenenden hatte in der Regel zur Folge, dass die Kreisbehörde nur mit einer Minimalbesetzung arbeitete, doch im Ernstfall – und darum handelte es sich bei den aktuellen Geschehnissen zweifelsohne – war auf
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