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Giftweizen

Giftweizen

Titel: Giftweizen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Schroll
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mehr anfangen, wenn sie genauer wüssten, wonach sie suchen sollten.
»Trotzdem vielen Dank ans Labor«, meinte Judith Brunner und teilte mit: »Ich fahre jetzt nach Waldau zurück und rede mit Botho Ahlsens. Danach statte ich Hella Singer einen Besuch ab. Haben wir da schon was, Lisa?«
»Nur wenig. Die beiden Singers haben 1960 geheiratet. Eduard Singer stammte sogar aus Breitenfeld, das Haus steht auf seinem Grundstück. Kinder sind keine vermerkt, Vorstrafen auch nicht.«
Judith musste über Lisas Betonung der letzten beiden Fakten schmunzeln und fragte: »Woher kommt Hella Singer?«
Lisa sah in ihren Notizen aus der Meldestelle nach: »Aus, ach, das ist aber schon ein Stück weg, sie stammt aus Neuwied am Rhein. Eine geborene Schmittke.«
»Danke. Ich fahre dann los. Heute Nachmittag komme ich aber noch einmal rein.«
    ~ 15 ~
     
    Botho Ahlsens wartete schon seit dem frühen Morgen, als er aus einem unruhigen Schlaf erwacht war, auf den Besuch der Hauptkommissarin. Er fühlte sich miserabel. In Worte hätte er sein Befinden nicht fassen können; ein unbeschreibliches Gefühl hatte ihn ergriffen: Wollte ihm – auf diese entsetzliche Weise – tatsächlich jemand eine Botschaft übermitteln? Und wenn ja – welche? Was sollten die zwei abgehackten Hände? Sicher, er hatte in seinem Leben nicht nur Ruhmestaten vollbracht, und es gab einiges, worauf er nicht stolz war. Doch eine Tat, die dieses Ausmaß an Abscheulichkeit rechtfertigen würde, war ihm auch beim Anlegen strengster Maßstäbe an sein Handeln nicht eingefallen. Und dann hatte ihm ein Gedanke den letzten Rest an mühsam aufrechterhaltener Beherrschung geraubt: Ging es vielleicht nicht um ihn, sondern um jemanden aus seiner Familie? Astrid und Ella, selbst wenn er Leon hinzuzählte, mehr waren sie nicht. Wer könnte ihnen schaden wollen?
Beim Frühstück hatte es selbst die Kleine nicht geschafft, ihn abzulenken. Astrid hatte ihn besorgt angesehen und wollte schon ihren geplanten Termin mit der Abteilung Bauwesen in der Gardelegener Kreisverwaltung absagen, was er aber entschieden abgelehnt hatte. Er wollte keine Einschränkung ihres Alltagslebens, nicht schon wieder.
Endlich hörte er, wie ein Wagen vor dem Gutshaus hielt. Er ging Judith Brunner erwartungsvoll entgegen und war erleichtert zu sehen, dass sie allein gekommen war. Er hoffte auf alternative Szenarien, auf neue, ihn beruhigende Auskünfte zu den polizeilichen Ermittlungen, die seine trüben Gedanken würden vertreiben könnten. Für ein Gespräch unter vier Augen würde seine Kraft wohl reichen.
Judith Brunner wurde von Botho Ahlsens in ein großes Zimmer geführt, das sowohl Bibliothek als auch Wohnzimmer sein konnte. Wahrscheinlich wurde es beiden Nutzungen gerecht, dachte sie. Der Raum strahlte eine behagliche Arbeitsatmosphäre und Ruhe zugleich aus. Er lag an der Stirnseite des Erdgeschosses vom Gutshaus und erstreckte sich über die gesamte Breite des Gebäudes. Je zwei doppelte Flügelfenster gingen sowohl auf den Park als auch zum Hof. Die hohen Bücherregale nahmen fast die gesamte Wand dazwischen ein, manche waren verglast, andere offen. Vor den Parkfenstern stand eine Sitzgruppe aus zwei breiten Sofas und einer Ottomane, die so aufgestellt waren, dass sie von allen Plätzen den Blick ins Grüne gestatteten.
Vor einem der Fenster hatte es sich ein wohlgenährter Kater auf einem kleinen Teppich gemütlich gemacht. Er schien listig zu überlegten, auf welchen Platz der fremde Besuch sich wohl setzen würde, damit er ihn vorher noch rasch okkupieren könnte. Aber sein Vorhaben wurde vereitelt, denn die Frau setzte sich nicht, sondern besah sich die Bücher.
Judith Brunners Blick blieb an einer Sammlung von Berichten früher Forschungsreisender hängen: alte Ausgaben mit Lederrücken und Goldprägung, die neueren Datums mit Schutzumschlag oder Papprücken. Sympathischerweise wiesen alle Bücher diverse Gebrauchsspuren auf – kleine Einrisse, Abriebstellen oder Knicke.
Ein imposanter langer Tisch vor den Hoffenstern, der früher bestimmt als Tafel für opulente Festessen genutzt worden war, bot viel Platz zur Ablage von Unterlagen aller Art, und dieses verführerische Angebot nutzte jemand in diesem Haushalt offensichtlich gern.
Wirklich schön, ein Zimmer, das zum Verweilen einlud.
Botho Ahlsens bemerkte Judiths schweifenden Blick und erzählte leise: »Hier hat Paul oft gesessen; er nutzte die Bibliothek gern zum Nachdenken.» Er deutete auf das scheinbare Durcheinander auf dem

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