Giftweizen
der Kassette, in der sie liegen sollte. Allerdings entdeckte er die gut, aber völlig vorschriftswidrig unter irgendwelchen Zeitschriften versteckt, im kleinen Regal unter dem Fenster. Nach der letzten Reinigung hatte er sie offenbar dort vergessen. Er nahm die Pistole kurz in die Hand, registrierte, dass das Magazin noch voll war, und legte sie schnell wieder in die Kassette, die er in seinem Stahlschrank verschloss.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Laura, leicht beunruhigt, als sie Walter ohne ersichtlichen Grund mit der Waffe sah.
»Was? Klar. Mach dir keine Sorgen. Diese Leute waren nur ... Ach, lassen wir das. Was führt dich her? Die Hoffnung auf ein Abendbrot in netter Gesellschaft?«
»Gute Idee! Ursprünglich wollte ich aber einen Bericht für Judith tippen.«
»Dann fang doch damit an, während ich schon mal den Tisch decke«, schlug Walter vor.
Er war als Erster fertig, holte sich ein Bier und wartete im Küchensessel, eine alte Wanderkarte der Hellberge studierend, bis Laura ihre Arbeit beendet hatte.
Ein deutliches Mauzen vor seiner Gartentür gemahnte ihn zum schleunigen Öffnen.
Wilhelmina schlüpfte geschwind in die warme Küche.
»Vorhin wolltest du nicht mit rein«, verwahrte sich Walter gegen den vorwurfsvollen Katzenblick, der ihn vom warmen, doch futterlosen Platz neben dem Herd traf. »Bei den Krawallmachern kann ich dich aber gut verstehen. Wie wäre es mit ein wenig Leberwurst?«, versuchte er eine Versöhnung, die schnurrend akzeptiert wurde.
Laura hatte den Dialog amüsiert vom Flur aus verfolgt und ging zu den beiden in die Küche. »Ich bin fertig!« Sie war mit dem Resultat ihrer Arbeit zufrieden.
Zum Abendbrot gab es frischen Fleischsalat, körnigen Quark mit roten Zwiebeln und grobes Roggenbrot; dazu süßsauer eingelegtes Gemüse. Sie aßen mit ordentlichem Appetit.
»Erzähl mal, was gibt’s denn Neues«, horchte Laura Walter aus.
Der wollte es unbedingt Leon Ahlsens und Elvira Bauer selbst überlassen, die freudige Botschaft von ihrem Baby zu verbreiten und behielt die Neuigkeit erst einmal für sich. Dafür berichtete er, ohne groß auf Details einzugehen, von dem erneuten Leichenfund bei den Elf Quellen.
Laura erzählte von ihren Recherchen zu Holl.
Da kamen allerhand Fakten zusammen und jeder versuchte für sich, Schlussfolgerungen zu ziehen.
»Ob die Fälle etwas miteinander zu tun haben?«, fragte Laura nach einer Weile.
»Ich halte das für ziemlich naheliegend«, meinte Walter. »Denk nur an die Fundorte. Und auch der Ablagezeitraum der heutigen Leiche passt zu den übrigen Ereignissen.«
»Dann hat also jemand Holl umgebracht, Singers Leiche verstümmelt und einen weiteren Mann ermordet. Suchen wir etwa noch einen Serienmörder?«
»Ob der Mann von heute ermordet wurde, steht gar nicht fest. Dr. Renz wird bestimmt erst morgen Vormittag Genaueres wissen«, bremste Walter.
»Na, wenn wir den Unbekannten in einen Zusammenhang mit dem Vergewaltigungsfall Holl stellen, ist ein Mord mehr als wahrscheinlich«, ließ Laura sich nicht beirren.
Walters Gedanken gingen in die gleiche Richtung: Paul Ahlsens, Eduard Singer und Otto Holl – drei Akteure der schicksalhaften Ereignisse waren bereits tot. Verbunden hatte sie die Beziehung zur selben Frau. An ihrer Vergewaltigung vor dreißig Jahren war ein weiterer Mann beteiligt gewesen. Es sprach einiges dafür, dass er der Tote war! Walter beschlich eine neue, finstere Ahnung. »Und was ist mit Jenny Holl geschehen?«, fragte er besorgt.
~ 41 ~
Dr. Grede hatte Judith Brunner gleich nach Verlassen der Stadt-Apotheke davon überzeugt, dass sie schnellstens zu Dr. Renz ins Krankenhaus müssten. Er machte ihr deutlich: »Die fehlenden Medikamente reichen locker, um mehrere Leute zu vergiften. Renz hat zwar auf die gängigen Wirkstoffe und Gifte sicher schon getestet, doch nun habe ich ja etwas ganz Konkretes in der Hand. Das lassen wir besser sofort überprüfen.«
Judith Brunner erklärte sich einverstanden und nach zwanzig Minuten straffen Gehens waren sie vor Ort.
Dr. Renz empfing sie, freundlich wie immer. Er bat sie, abzulegen und Platz zu nehmen. »Gut, dass Sie kommen. Ich habe Ihnen sogar etwas zu bieten. Doch zunächst – wollten Sie mir etwas zeigen?«
»Ja. Bitte«, zog Dr. Grede die in der Apotheke erhaltene, kurze Liste hervor. Judith Brunner erklärte Dr. Renz die Hintergründe zu der Aufstellung.
Der Rechtsmediziner glich bis ins letzte Detail die aufgelisteten Inhaltsstoffe der fehlenden Medikamente mit seinen
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