Gilbert, Elizabeth
Ketuts Haus durch
den Affenwald und die Reisterrassen nach Hause radle. Natürlich bete ich auch
darum, nicht noch einmal von einem Bus angefahren, von einem Affen
angesprungen oder von einem Hund gebissen zu werden, aber im Grunde ist das
überflüssig; die meisten meiner Gebete sind reine Dankesbezeugungen für meine
übergroße Zufriedenheit. Nie habe ich an der Bürde der Welt und meiner selbst
leichter getragen.
Daneben rufe ich mir immer wieder eine der Lehren meiner
Meisterin über das Glück ins Gedächtnis. Im Allgemeinen, sagt sie,
verwechselten die Menschen das Glück mit einer »Glückssträhne«, einem Zustand,
der sie überkomme wie schönes Wetter, dann nämlich, wenn Fortuna es gut mit
ihnen meine. So aber funktioniere das Glück nicht. Glück sei die Folge
persönlicher Anstrengungen. Man müsse dafür kämpfen, danach streben, darauf
bestehen und, auf der Suche danach, zuweilen sogar um die ganze Welt reisen.
An der Realisierung unserer günstigen Schicksale müssen wir selbst arbeiten.
Und sobald wir einen Glückszustand erreicht haben, müssen wir ihn
aufrechterhalten, dürfen nicht nachlassen, müssen uns gewaltig anstrengen,
weiter nach oben und auf dieses Glück zuzustreben, damit es uns zu tragen beginnt.
Verwende daher Sorgfalt auf den Umgang mit dir selbst, respektiere das
Bedürfnis deiner Sinne, von Schönheit umgeben zu sein, kümmere dich um deine
Seele, deine Gesundheit und deinen Geist - dies alles sind Vorsätze, die man
Tag für Tag erneuern muss. Tut man es nicht, so wird die innere Zufriedenheit
zerrinnen. In der Not fällt das Beten oft leicht genug, aber weiterzubeten,
wenn die Krise vorüber ist, ist so, als würde man die Seele versiegeln, damit
sie ihre Errungenschaften bewahrt.
Während ich beschwingt durch den Sonnenuntergang radle
und mir diese Lehren ins Gedächtnis rufe, bete ich zu Gott, sage zu ihm:
»Diesen Zustand von Harmonie würde ich gerne festhalten. Bitte hilf mir, dieses
Glücksgefühl für immer zu bewahren.« Ich deponiere dieses Glück auf einer Bank,
wo es nicht nur durch die Federal Deposit Insurance Corporation geschützt ist,
sondern auch durch meine vier Geisterbrüder, damit es mir bei künftigen
Feuerproben als Rückversicherung dienen kann. Das ist eine Übung, die ich
»Immerwährende Freude« nenne. Während ich mich auf die immerwährende Freude
konzentriere, erinnere ich mich auch immer wieder an den simplen Gedanken, den
mein Freund Darcey einmal äußerte - dass nämlich alles Leid und aller Ärger
dieser Welt von unglücklichen Menschen verursacht würden. Und zwar nicht nur
von mächtigen Männern wie »Hitler oder Stalin«, sondern schon auf der
niedrigsten persönlichen Ebene. Auch im Rückblick auf mein eigenes Leben
erkenne ich genau, in welchen Momenten meine Unglücksphasen den Menschen um
mich herum Leid zugefügt haben. Die Suche nach Zufriedenheit ist daher nicht
nur ein eigennütziger Akt zum Zwecke der Selbsterhaltung, sondern auch ein
großzügiges Geschenk an die Welt. Sein ganzes Elend loszuwerden heißt, sich
selbst aus dem Weg zu schaffen. Man hört auf, ein Hindernis zu
sein, nicht nur für sich selbst, sondern auch für alle anderen. Erst dann ist
man frei, anderen zu dienen und sich an ihnen zu erfreuen.
Die Person, an der ich mich momentan am meisten erfreue,
ist Ketut. Der alte Mann - wahrlich einer der glücklichsten Menschen, die ich
jemals getroffen habe - erlaubt mir, ihm jede beliebige Frage über Gott und den
Menschen zu stellen. Ich liebe die Meditationen, die er mich gelehrt hat, die
kuriose Schlichtheit des »Lächelns in der Leber« und die tröstliche Gegenwart
der vier Geisterbrüder. Vorgestern erzählte er mir, dass er sechzehn
verschiedene Meditationstechniken kenne und Unmengen von Mantras für alle möglichen
Zwecke. Einige von ihnen brächten Frieden und Glück, andere dienten der
Gesundheit, einige aber dienten auch rein mystischen Zielen - indem sie einen
etwa in andere Bewusstseinsebenen versetzten. So kenne er etwa eine Meditation,
die ihn »nach hinauf« bringe.
»Nach hinauf?«, fragte ich. »Was bedeutet das?«
»Nach sieben Ebenen hinauf«, erklärte er. »Nach Himmel.«
Als ich den Gedanken der mir vertrauten »sieben Ebenen«
hörte, fragte ich ihn, ob er damit meine, dass diese Meditation ihn durch die
sieben heiligen Chakren des Körpers hinaufführe, von denen im Yoga die Rede
ist.
»Nicht Chakren«, sagte er. »Orte. Diese Meditation bringt
mich in sieben Plätze in Universum. Immer
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